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Gerade noch saßen wir bei einem New-York-Bagel im Frühstückscafe und waren uns einig, dass New York City überhaupt nicht so voll ist, wie man gemeinhin denkt.  Wir hatten mit Massen gerechnet, die in ihrer täglichen Hetzjagd nach harten Dollars die Bürgersteige bedecken.

Von wegen: In der U-Bahn geben uns freundlich lächelnde Amerikaner Komplimente für unsere europäischen Sommerschlussverkauf-Schnäppchen und selbst an der Wall Street geht es zur besten Aktienhandelszeit eher entspannt zu (sieht man von der Maschinenpistolen tragenden staatlichen Präsenz mal ab).

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Aber dann kommt alles ganz anders: Der erwähnte 800-Kalorien-120-Gramm-Fett-Bagel hat gerade mal seine vermutlich tagelange Verdauung angetreten, als wir am Museum of Modern Art ankommen. Zehn nach zehn – noch zwanzig Minuten bis die Tim Burton Ausstellung zum letzten Mal ihre Pforten öffnet. Zum ersten Mal sehen wir vor lauter Menschen den Bürgersteig kaum noch.

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Tim Burton ist eine Hollywoodgröße. Das Schöne an ihm: Er ist so unangepasst. Ein Freifahrtschein für Mainstream verachtende Arthouse-Verfechter, zu denen wir uns auch gerne zählen. Tim Burton ist für alle da und entsprechend groß ist die Nachfrage für die Ausstellung: New Yorker und Touristen kämpfen Seite an Seite um die letzten Tickets, Familien zwischen Goths, Filmfreaks und Horrorfreunden. Wer in keine dieser Kategorien passt, den zieht vielleicht einfach der Promi-Faktor an. Immerhin gibt es Briefe an ihn, Johnny Depp, zu sehen und das ein oder andere Detail aus dem Hause Disney.

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Pünktlich um elf dürfen wir dank unserer vorab gekauften und mit Einlass-Uhrzeit versehenen Online-Tickets in die auch an diesem letzten Tag ausverkaufte Sonderausstellung. Durch einen Schlund geht es hinein in das Reich des Künstlers. Vorbei an fluoreszierenden Skulpturen und Sequenzen aus seinem filmischen Werk, direkt hinein in einen vollgestopften Raum: wieder Besucher allüberall, die Wände übersäht mit Exponaten, Kinder stapeln sich in einer Video-Ecke. Dafür kaum Beleuchtung und kein Platz für die Kunst.

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Wer das alles ausblendet, findet trotzdem das Wunderbare an dieser Ausstellung.
Abgesehen von Memorabilia wie Köpfen aus „Mars Attacks“, dem Originalkostüm von „Edward mit den Scherenhänden“ und Figuren von „The Corpse Bride“ gibt es unfassbar viele Zeichnungen, Illustrationen, und Entwürfe. Viele sehen aus wie Telefon-Kritzeleien und tragen Notizen in einer entrückten Handschrift. Aber Bild und Text fusionieren zu einem Kommentar – meistens zynisch, schwarz, komisch. Besonders die frühen Zeichnungen, das Werk eines durchgeknallten Teenagers, dem heutzutage die Jugendpsychatrie sicher gewesen wäre.

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Denn damit fing alles an: Zusammen mit seinem High-School-Kumpel Rick Heinrichs, der die verschrobenen Ideen und Bilder in Modelle und Skulpturen umsetzte, entwickelte Burton seine eigene Welt. Daraus entstanden Filmideen. Die wahre, geniale Kreativität liegt aber in den ursprünglichen, krakeligen Zeichnungen von dicken Jungs mit Nägeln in den Augen, bösen Clowns und bunten Aliens. Verrückte Szenarien, die schockieren, aber gleichzeitig amüsieren.

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Leider hat das MoMa zuwenig Raum geschaffen – sowohl für die Besucher, als auch für die Ausstellungsstücke. Die filigranen Zeichnungen wirken in den kleinen Rahmen thematisch sortiert einfach eingezwängt, sie verlieren an Ausdruck. Kein Wunder. Das Establishment versucht Burton konsumierbar aufzubereiten – das kann nur schief gehen. Das ist es auch schon vorher bei verschiedenen Filmproduktionen. Burtons Dynamik aber entsteht aus dem Tabuisierten, Zwanglosen und Widersprüchlichen.

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Und dennoch ist Tim Burton heutzutage etabliert. So etabliert, dass das Kronjuwel der internationalen Museen ihm eine Ausstellung widmet. So etabliert, dass Familienväter aus Connecticut scharenweise ihre Kinder ins Museum schleppen, ihnen aber dann doch lieber hier und da die Augen zuhalten. Dann wohl doch noch nicht ganz so etabliert, oder?

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