In den USA hat am Samstag der Verkauf von Apples „iPad“ begonnen. 300.000 Stück wurden am 1. Tag abgesetzt. Bis zum 10. April waren es 450.000 Exemplare. Die Nachfrage war groß aber nicht so absurd irrwitzig wie beim „iPhone“. Indes war die den Launch des neuen digitalen Accessoires begleitende publizistische Bugwelle gewaltig und hat Wesentliches an Informationen zur Seite geschwemmt.
Bei Kritikern der alle Medien durchdringenden „Werbeveranstaltung iPad“ trat allenthalben die Frage auf, was denn überhaupt so toll sei an diesem Tablet-Touch-Screen-PC ohne Tastatur, diesem Lese- und Anzeigegerät für digitale Inhalte. Die Medien haben sich zuletzt oft darauf konzentriert, die Erfolgschancen des iPad zu prognostizieren. Meist ging es außerdem um die Frage, ob und –wenn ja – wer das „iPad“ brauchen könnte.
Der Markt der digitalen Helferlein
Viele Menschen haben zuhause stationäre PCs. In den letzten Jahren wurde erst der herkömmliche Laptop, dann das kleinere Surf-, Web- oder Net-Book zum kommunikativen Standard technik-affiner Zielgruppen. Parallel dazu hatte sich die Internet-Mobilität via Handy etabliert. Apple war gleich mehrfach prägend für neue Märkte: Das Unternehmen war Wegbereiter im Marktsegment der klassischen hochwertigen Laptops, mit dem „iPod“ im Bereich der MP3-Player und dem dazugehörigen Geschäftsmodell „iTunes“ und schließlich bei den websurfenden Handys mit dem „iPhone“. Inzwischen hat sich relativ unabhängig von dieser technischen Kommunikations-Ausstattung das Marktsegment der Buchlesegeräte entwickelt. In Deutschland ist zum Beispiel der „Kindle“ von Amazon erhältlich und ein vergleichbares Gerät von Sony, der „E-Book Reader“. Apple zielt nun, wie an dieser Stelle berichtet, auf den Markt des Lesens und Schauens am Bildschirm, was sich nicht nur auf Bücher sondern auf Zeitschriften bezieht und erweitert dieses Konzept um das Betrachten von Inhalten aus dem Internet sowie multimediale Inhalte wie Videos.
Wer kauft warum das „iPad“? Oder: Ist das „iPad“ überflüssig?
Zum jetzigen Zeitpunkt danach zu fragen, ob man so ein Gerät überhaupt braucht, greift inzwischen zu kurz, weil die Buchlesegeräte auf dem amerikanischen Markt bereits auf Akzeptanz gestoßen sind, weil es bei Apple-Geräten vordergründig nie um Technik sondern um Ergonomie und Anwendung gegangen ist und weil Apple durch diese Faktoren gepunktet hat und nicht durch üppige Ausstattung. Zudem ist der eigentliche Erfolgsfaktor das Geschäftsmodell hinter dem technischen Gerät. Beim „iPod“ war es die Web-Musik- und Video-Verkaufsplattform, beim „iPhone“ die Erweiterung der Funktionalitäten über kleine Programme, die so genannten „Apps“, im „App-Store“. Wer sagt, das wäre alles nicht neu gewesen, irrt. Es war zum jeweiligen Zeitpunkt neu und innovativ, marktgängige, einfache, sehr funktionale und ergonomische Geschäftsmodelle einem Markt anzubieten, in dem sie bis dahin nicht vorhanden waren. Technologien waren zwar oft vorher vorhanden, was aber fehlte, war das Vorstellungsvermögen wie das Produkt beschaffen sein sollte und warum man es kaufen sollte.
Goldgrube „Geschäftsmodell“
Apple wurde immer als ein Unternehmen gesehen, das technisch innovativ ist. Es hat 1984 mit dem „Apple Macintosh“ einen Computer auf den Markt gebracht, der zwischen dem, was man auf dem Bildschirm sah und dem, was auf dem entsprechenden Laserausdruck zu sehen war, keine gravierenden Unterschiede mehr machte. Das war vorher nicht möglich gewesen und hat nicht nur mit Apple zu tun, sondern auch mit anderen Softwareschmieden und technologischen Innovationen. Was nie im Vordergrund stand, war, dass Apple im Markt der Grafik-Industrie, bei Werbe- und Designagenturen, bei Druckereien und Druckvorstufenbetrieben lange Zeit eine Alleinstellung besaß, sich seine eigene Marktnische geschaffen hatte, in der das Unternehmen prosperieren konnte. Es hatte ein komplexes Geschäftsmodell geschaffen, worin auch heute noch ein wahrer Meister ist. Immer dann, wenn es um reine Technik ging, scheiterte Apple, dort wo es Technik, Marketing und Betriebswirtschaft auf die eigene originelle Art zu einem großen Ganzen formte, wurde es über die Maßen erfolgreich und erfand sich sogar jedesmal neu. Übrigens war selbst der erste WYSIWYG-Computer „Apple Macintosh“ bereits eine Neudefinition und Neuerfindung des Unternehmens, das mit dem „Apple II“ und einem ganz anderen Betriebssystem für ganz andere Zielgruppen bereits ein überaus erfolgreiches Vorleben geführt hatte. Jedesmal seitdem setzt Apple seine erfolgreichen Produkte mit einer Revolution gleich und lag, sofern es ein durchdachtes Geschäftsmodell dazu präsentieren konnte, eigentlich immer richtig.
Der höchste Aktienkurs in der Firmengeschichte
Und worin mündet nun diese Fähigkeit, Märkte nicht nur technologisch sondern marketingmäßig, designmäßig und sehr bedürfnisorientiert zu durchdringen, aktuell? Apple ist zur Zeit das heißeste Unternehmen an der Börse, hat mit 236 Dollar und 15% Plus den größten Einzelhändler der Welt, Wal-Mart, hinter sich gelassen und sieht vor sich nur Microsoft und das Ölunternehmen Exxon-Mobil. Damit ist Apple in Börsenwerten gemessen eines der drei wertvollsten amerikanischen Unternehmen. Das ist auch der Einschätzung von Börsenanalysten zu verdanken, die dem „iPad“ gute Marktchancen einräumen. Der Verkauf am Samstag entsprach dann auch nach 240.000 Vorbetsellungen in etwa dem, was man erwarten konnte – in einem relativ neuen Marktsegment ein guter Erfolg. Aber die Erwartungen sind hoch. Vom „iPhone“ hatte Apple 2007 in einem relativ gesättigten Markt 5,4 Millionen Stück abgesetzt, nun wird erwartet, dass 2010 zwischen 2-5 Millionen „iPads“ verkauft werden. Manch einer erwartet gar 6 Millionen Einheiten.
Fazit: Geschäftsmodell first
Das Wesentliche – auch für die Konkurrenz und den Aufbau des Gesamtmarktes – wird aber sein, wie griffig das Geschäftsmodell ist, wie gut es also funktioniert. Ein wesentlicher Zukunftsmarkt für das „iPad“ ist der Vertrieb elektronischer Zeitschriften und Zeitungen über Abonnements. Sich darüber aufzuregen, dass das iPad keine Kamera hat oder kein Multi-Tasking bzw. die Flash-Darstellung nicht unterstützt, greift ins Leere. Der Medienhype braucht nur ein Äquivalent auf Geschäftsmodell-Ebene, dann klappt das auch mit dem „iPad“ und einem weiteren digitalen Begleiter zwischen Laptop und Handy.
Links zu Beiträgen zum Thema „iPad“ auf Endoplast:
Kritik am iPad
Artikel über einige technische Grundlagen des iPad
Artikel über das iPad als Musthave-Accessoire
Artikel zum iPad und dem Verlagswesen
Artikel zur erstmaligen Vorstellung des iPad
Grundsatzartikel zu Apple und dem Tablet-PC
Video zum wahren Kern des iPad
Video zur Vorstellung des iPad in San Francisco