Am Mittwoch, 17. März 2010 ist auf WDR 5 in der Reihe Zeitzeichen ein 15-minütiger Beitrag über den „Ulysses“-Übersetzer Hans Wollschläger zu hören. Der Beitrag läuft von 9:05-9:20 Uhr, wird auf WDR 3 am gleichen Tag um 17:45 Uhr wiederholt und ist auch als Podcast oder per Webaufzeichnung zu haben. Der Übersetzer und Schriftsteller wäre übermorgen 75 Jahre alt geworden.
Wir leben in Zeiten der Nebenkriegsschauplätze. Das ist in der Politik immer öfter so, um von den wesentlichen Skandalen abzulenken, aber auch in der Kultur geht es oft um Nebenaspekte. Manchmal meint man inzwischen, dass zum Beispiel nicht die Ausstellung das Wichtige ist sondern deren Kurator. Oder dass nicht der Roman alleine entscheidend ist, sondern dessen Übersetzer. Jüngst, als David Foster Wallace’s Roman „Infinite Jest“/„Unendlicher Spaß“ in Deutschland soviel Aufmerksamkeit zuteil geworden war, stand auch Übersetzer Ulrich Blumenbach, der die sechsjährige Übersetzungs-Titanenarbeit geleistet hatte, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
Der geachtete Übersetzer
Tatsächlich ist die Arbeit eines Übersetzers aber mit entscheidend für den Erfolg eines Buches, gerade auch wenn es um komplizierte Prosa geht. Der immer noch aktuelle Ahnvater der Qualitätsübersetzer, der in dieser Eigenschaft ein literarisches Werk von Gewicht letztlich zu interpretieren hatte und damit einem anderen Kulturkreis durch die Filterung seiner sprachlichen Möglichkeiten nahebringt, ist Hans Wollschläger.
Der Autor von Sachbüchern und Prosa
Neben seiner Übersetzertätigkeit hat er durch seine Karl May-Biografie Bekanntheit erlangt, zahlreiche Sachbücher verfasst und auch fiktionale Werke vorgelegt hat. Er war Schüler von Arno Schmidt, den man in etwa als deutschen James Joyce verorten könnte. Großschriftsteller Arno Schmidt war aber auch Übersetzer und kooperierte etwa bei Edgar Allan Poe-Übersetzungen mit Wollschläger. Der hatte außerdem bei Romanübersetzungen von Raymond Chandler oder Dashiell Hammett das elegante sprachliche Einfühlungsvermögen seiner Prosa bewiesen. Neben der Übertragung von „Ulysses“ ins Deutsche als Hauptwerk seiner übersetzerischen Tätigkeit, das ihm viel Ruhm und Ehrungen einbrachte, hat er aber eines der bekanntesten Kapitel aus „Finnegans Wehg“, dem letzten und nahezu unlesbaren Roman von James Joyce – „Anna Livia Plurabelle“ – übersetzt. Übrigens arbeitete Joyce auch als Sprachlehrer und Übersetzer und ohne diese mehrsprachige Tätigkeit wäre sein letzter Roman nicht möglich gewesen.
Das Werk ohne Abschluß
Die komplizierte Literatur, die Wollschläger übersetzt hat, hat ihn geprägt und geformt – außerdem natürlich die geistige Affinität zum Philosophen und Sprachmeister Theodor W. Adorno und die Kooperation mit dem alle Begriffe durchdringenden Arno Schmidt. Wollschläger hat daher selbst als Autor einen avantgardistischen Roman vorgelegt: „Herzgewächse oder der Fall Adams,Erstes Buch“, von dem noch ein weiterer Band im Nachlass der Publizierung harrt. Das Werk ist damit bis heute nicht abgeschlossen und konnte deshalb Wollschläger als eigenständigen Romanautor nicht etablieren. In Erinnerung bleibt er daher als kongenialer Übersetzer und Sprachstilist. Außerdem noch als Kirchenkritiker, aber das ist eine andere Geschichte.