Das berühmteste Promischauspielerpaar der Welt – Angelina Jolie und Brad Pitt – trennt sich laut Medienberichten. Diese Begebenheit läßt einem Naturereignis gleich die Welt der billigen Informationen erzittern. Endoplast wirft einen glaucomatischen Blick auf ein öffentlich durchdrungenes Privatleben.
Angelina Jolie, der man nachsagt, schön zu sein, ist eine talentierte Schauspielerin. Sie ist ja davon abgesehen so positiv selbstbildgeprägt, dass sie niemals schlecht schauspielern könnte. Die Medien jedoch haben sie vom möglichen Talentarium der Schauspielerei weggelobt zur Lebensrolle der schönsten Frau und der kommerziell erfolgreichsten Schauspielerin der Welt.
Brad Pitt: Der Unterschätzte
Ihr Mann, Brad Pitt, dem man nachsagt gut auszuzsehen, ist ein talentierter Schauspieler, der in seiner Profession von der Kritik jedoch oft nicht ernst genommen wird. Man hält ihn für einen oberflächlichen Schönling, hält ihm zudem aus dem Blickwinkel des seriösen Filmemachens und der leidenschaftlich-strasbergschen Schauspielerei vor, das massenhysterieauslösende Bild von sich in Filmen wie „Legenden der Leidenschaft“ oder „Rendezvous mit Joe Black“ weiter kultiviert zu haben. Die Eheleute Pittjol stehen also eindeutig mehr für den feuchten Traum als für für die trockene Kunstschauspielerei.
Pitt-Stop: Leben in der „Schön-aber-dumm“-Schublade
Offenbar ist also niemandem – weder dem sabbernden Teenie noch dem brabbelndem Kritiker – aufgefallen, wie Pitt in „Kalifornia“ beeindruckend realistisch einen gewalttätigen White-Trash-Serienkiller gespielt oder wie er in „12 Monkeys“ glaubwürdig den Irren gegeben hat. Wie er in Guy Ritchies „Snatch“ die kongeniale Karrikatur eines Boxers verkörperte, der in Abwesentheit von genügend Zähnen nicht richtig sprechen kann, oder wie er in „Burn after reading“ schauspielerisches Pingpong mit seinem eigenen Image gespielt hat. Die Liste seiner Anti-Helden-Rollen ist noch viel länger, reicht von „Thelma und Louise“, wo er ein kleiner Dieb war, man aber wieder nur seine Bauchmuskulatur rezensierte, über „True Romance“, in dem er in einer Nebenrollen-Miniatur einen zerstreuten Kiffer gespielt hat – bis hin zu seiner Paraderolle im Paradefilm „Fightclub“. Ein Film übrigens, der denkwürdig mit Scheinrealitäten spielt. In „Babel“ hat sich Pitt auf alt trimmen lassen. Es hat nichts genützt: Der facettenreiche Schauspieler bleibt in der breiten Öffentlichkeit und in engen Filmdiskussionszirkeln eher eine Art Abziehbild eines Schauspielers. Er sieht zu gut aus, um die Schublade endgültig verlassen zu dürfen – während talentferne Mimen á la Al Pacino in den Himmel gelobt werden. Welch eine zu Himmel schreiende Ungerechtigkeit!
Die Synthese: Warum aus zwei Personen eine wird
Standen Pitt und Jolie zu Beginn ihrer Karriere als schöne Einzelwesen im Zentrum der Papparazzi-Gelddruck-Maschinerie, mutierten sie schnell zu einem medial verbrämten Zwillingswesen, das fortan nur noch „Brangelina“ genannt wurde und beide gleichzeitig meinte. Genauso wie sie nicht mehr als Einzelwesen wahrgenommen und zunehmend ikonografisch beschrieben und abgebildet wurden, genauso verschwammen die Konturen der Fakten hinter den realen Personen immer mehr: Wieviel Kinder hatten sie doch gleich? Und wieviele davon waren eigene oder adoptierte? Waren sie lediglich neureich oder schon sagenhaft oder letztlich unermesslich reich? Jetzt ist von 700 Millionen Dollar auf dem gemeinsamen Konto die Rede. Ein echt konkreter Realitätsschock, solch klare Zahlen. Als Paar verkörpern sie den diffusen Traum von den zwei schönsten Wesen, die sich lange gesucht und nach allerlei Wirrnissen gefunden haben. Das ist so, als hätte ein Traum einen anderen Traum geheiratet, fast zu unwirklich, um wahr zu sein. Natürlich werden sie seit einiger Zeit, nach einer relativ langen Phase des wohlwollenden Aufbaus durch die Medien, nun nach Strich und Faden dekonstruiert. Leser und Fernsehgucker brauchen einfach das Auf und Ab, den Thrill des morbiden Niedergangs. Die Medien liefern ihn in Form eines verborderlineten Dramas Brechtschen Zuschnitts. In Brechts epischem Theater saßen Schauspieler auf der Bühne herum und sagten, um nicht unnütz zu erscheinen: „Ich bin ein Strauch“. In der „Brangelina“-Welt der Papparazzi und Schauspieleragenten sind zwei Mimen dazu verdammt, zu sagen: „Wir sind nicht mehr zwei, wir sind nur noch ein Fabelwesen mit einem Namen“.
Promi-Surfing anstatt Groschenroman-Rezeption
Jolie und Pitt sind bestimmendes Thema der Klatsch- und Society-Presse. Als Medienjunkie giesst man willig die Desinformationsschlingpflanzen, die sich um die beiden ranken. Sie sind mediale Heimat für diejenigen, die sich schämen würden, Groschenromane zu lesen. So perfekt ist das Fabelwesen „Brangelina“ längst in all seinen Facetten und darüber hinaus durchdrungen, dass die reine Information wie immer in der Boulevard-Berichterstattung längst zur Nebensache geworden ist. „Brangelina“ ist hydragleich ein Wesen mit zwei Köpfen, die immer mehr untereinander verschwimmen. „Brangelina“ ist ein Fleisch gewordener Traum, hat mythische Dimensionen angenommen, ist eine gottgleiche Erscheinung.
Das Leben der anderen als trickreiche Traumsequenz
Von der singulären Verinnerlichung der Traumsequenz „Ich und Brad Pitt“ oder „Ich und Angelina Jolie“ kommt es nun zur Traumbeziehung: „Ich als Angelina Jolie mit Brad Pitt“ oder „Ich als Brad Pitt mit Angelina Jolie an meiner Seite“ aus der Männerperspektive. Das ist zwar nicht ganz neu, aber der sich kontinuierlich steigernde Medienhype konditioniert den Eduhäment-Konsumenten hinsichtlich einer Entfremdung von sich selbst über die totale Identifikation mit dem angebeteten Prominenten. Sprich: „Brangelina“ hat sich als Breitwandprojektionsfläche für charakterlose Dummchen bewährt.
„Brangelina“ am Ende: Kommt nun die Langeweile?
Nun scheint die Beziehung zwischen den beiden Superstars beendet. Das Fabelwesen „Brangelina“ als an Kopf und Körper zusammengewachsener siamesischer Zwilling ist nun folgerichtig auch medial zu trennen. Eine Neupositionierung der Figuren des Seifenoper-Schach-Schauspiels muß erfolgen. Das gibt der Medienwelt und den Medienkonsumenten neue Impulse. In einer Art messianischer Wiedergeburt werden die beiden Menschen als fiktive Individuen wieder neu erstehen. Kommt die Wahrnehmung damit der Realität wieder ein Stück näher? Nein, die Medien werden nach der Wiedergeburt versuchen, beide Stars noch mehr zu transzendieren, um den Virtualitäts-Junkies neues Futter zu bieten. Die Gelegenheit bietet sich nicht oft, „Brangelina“ ist ein Unikat. Daran wird man anknüpfen. In einer Welt der kaputten Beziehungen, in der die patchworkenden Fliehkräfte große Kraft entfaltet haben, bot „Brangelina“ neben allem anderen die Chance einer ungewohnten Beständigkeit. Das ist nun vorbei. Fortsetzung folgt.