Buchlese- und Vertriebsgeräte von digitalisierten Informationen wie der Kindle von Amazon oder der E-Book-Reader von Sony sind in aller Munde. Dabei konzentriert sich im Moment alles vor allem auf das digitalisierte Buch als Objekt der Begierde. Doch es wird, vielleicht sogar noch im Januar ganz anders kommen.
Promoter wie Steve Jobs, der Apple-Computer-Chef, denken weiter: Für sie geht es um eine neue Art von transportablem Bildschirm, an dem man nicht nur lesen sondern auch virtuelle Zeitschriften durchblättern und betrachten kann. Genauso, wie es jetzt schon bei „iTunes“ mit Plattencovern geht.
Vom iPhone zum iTablet: Ein folgerichtiger Schritt
Ähnlich wie beim „iPhone“, das zehntausende von kleinen Zusatzprogramm-Applikationen, die so genannten „Apps“, vorweisen kann, an deren Vertrieb Apple mitverdient, und dem „iTunes-Store“, der ein Musik- und Film-Vertriebsmodell ist und dieses mit der Apple-Computer-Technik, dem „iPod“ als MP3-Player und dem „iPhone“, das die Abspielfunktion ebenfalls integriert hat, kombiniert, verfährt Apple nun mit dem in der Szene so genannten „iTablet“: Der Content zählt. Alle anderen denken nur ans Bücherlesen. Steve Jobs hat ganz andere Dinge im Kopf. Er geht seit längerem in amerikanischen Verlagen hausieren, um die davon zu überzeugen, ihre Zeitungen und Zeitschriftentitel zu elektronisieren und damit für das „iTablet“ lesbar und darstellbar zu machen. Wie schön das funktionieren kann, kann man hier sehen.
Farbig muß es sein: Zeitschriftenlesen ohne Eselsohren und Knitterfalten
Es gibt nämlich schon die Zeitschriften-Darstellungs-Softwarelösung von Issuu als Komfortbetrachter von farbigen Inhalten, vergleichbar dem Acrobat Reader allerdings mit erweiterten Funktionen. Die Buchlesegeräte sind dem gegenüber mit Monochrom-Bildschirmen ausgestattet. Ein Tablett-PC, auf dem man Bücher oder Zeitschriften durchblättern, ansehen und lesen kann, wird auch dazu taugen, Fotoalben und Filme anzuschauen. Apple Inc. Könnte bald ein Medienvertrieb sein, der sich nochmal gigantisch ausweitet und gleichzeitig die Schnittstellen wie Mobiltelefon, MP3-Player, Computerkomplettsystem und Tablett zur Verfügung stellt. Damit schließt das Unternehmen den Verwertungskreislauf für seine Produkte und Dienstleistungen zunehmend zu einem betriebswirtschaftlich ausgeklügelten Ganzen. Neben Goggle ist Apple inzwischen der Moneymaker in Sachen Web-Geschäftsmodell.
Die Schattenseite des Kults um Apple: Erfolgsdruck als Fluch
Apple schreibt die besten Ertragszahlen seiner Geschichte, doch die Analysten waren im letzten Jahr skeptisch, ob das Unternehmen den Ertrag zukünftig weiter ausbauen kann. Das Unternehmen mit den Kultprodukten gerät damit zunehmend unter Druck, seine Zukunft zu gestalten. Bei keinem anderen Unternehmen sind die Erwartungen an Neuerungen und innovative Produkte so hoch wie bei Apple.
Wenn der Postmann dreimal klingelt: Scheitern als Erfolgsmodell
Was Apple auszeichnet, ist nicht nur seine visionäre Herangehensweise sondern auch dass Steve Jobs genügend Gelegenheit hatte, zu lernen. Wie lernt man am besten? Indem man sich auf die Schnauze legt aber danach auch wieder aufsteht. Das ist Jobs dreimal passiert.
Mißerfolg 1: Der „Newton“ war 10 Jahre zu früh
Das Erstemal, als Apple den „Newton“ einführte und damit seiner Zeit zu sehr voraus war. Der Newton war ein PDA, etwas größer als heute üblich, mit drucksensitivem Monochrom-Display, das Schrifterkennung unterstützte. Einige der üblichen Büroarbeiten waren damit zu verrichten, nur war diese technische Innovation verkaufsmäßig ein Flop und wurde vom Markt genommen.
Mißerfolg 2: Bittere Erfahrungen eines Überfliegers
Schließlich zwang John Sculley, den Jobs als Manager von Pepsi zu Apple geholt hatte, Jobs zum Rücktritt. Dermaßen ausgebootet zu werden, war der zweite einschneidende Mißerfolg, den der Computer-Guru zu verkraften hatte. Aber Jobs machte natürlich weiter mit einer neuen Geschäftsidee. Er entwickelte die sehr stylische Computermarke „NeXT“, die wieder durch und durch innovativ war.
Mißerfolg 3: Der „NeXT“-Computer ohne Diskettenlaufwerk
Als erstes Computersystem hatte der „NeXT“-Rechner kein Diskettenlaufwerk mehr, nur noch ein CD-ROM-Laufwerk. „Postscript“, die grafische Seitenbeschreibungssprache, die vor allen Dingen für Ausdrucke und Belichtungen auf Offsetmaterial eine Alleinstellung hatte, wurde ebenfalls für die exakte Bildschirmdarstellung genutzt, als so genanntes „Display-Postscript“ – während Apple noch mit dem schrammligen „Quickdraw“ weiterarbeitete, dessen Bildschirmdarstellung damals noch große Abweichungen zum Ausdruck auswies. Die Gestaltung der Hardware war in Schwarz gehalten und hatte eine noch eigenwilligere Designsprache als Apple-Rechner. Das Betriebssystem basierte damals schon auf UNIX, war also architektonisch sowohl Vorläufer der neueren Windows-Varianten und wurde tatsächlich von Apple aufgekauft und der Nucleus des neuen Apple-10er-Erfolgs-Systems, Der Compter selbst war ein schwarzer, lamellierter Cubus, der viel Eindruck machte. Da nur wenige große Softwarehersteller das Projekt unterstützten und einige der genannten Features zu fremd anmuteten und vielerorts nicht in die Arbeitsumgebungen passten, war dem „NeXT“ keine lange Lebensdauer beschieden. Der Dritte Fauxpas von Jobs. Jobs hat „NeXT“ schließlich an Canon verkauft. Der „NeXT“-Rechner war für den asiatischen Raum prädestiniert, weil er als erstes System asiatische Schriftzeichen darstellen konnte.
Die Lehren aus dem Debakel: Ausgewogene Produktpolitik
Jobs hatte also zweimal erlebt, wie eine falsche zu visionäre Produktpolitik eine gute Idee scheitern lassen kann und zum anderen die politischen Ränkespiele in einem börsennotierten Großunternehmen schmerzhaft zu spüren bekommen. Das hat gesessen und den Meister geprägt. Apple ist inzwischen bekannt dafür, sehr genau hinzusehen, wann ein Markt reif ist für ein neues Produkt. Das Unternehmen tariert genau aus, wieviel gelernte bzw. vorbereitete Funktionalität ein Gerät enthalten darf und wieviel reine Innovation darinstecken soll. Unter dieser Maßgabe sind „iPod“ und „iPhone“ Multiseller mit Musthave-Status geworden.
Apple-Computer als Zukunftsunternehmen
Jobs hat also aus den Geschehnissen offenbar seine Lehren gezogen. Er kehrte zu Apple zurück und seitdem wurde alles, was das zu dieser Zeit noch marode und in seiner Existenz stark gefährdete Unternehmen anfasste, zu einem Erfolg. Das „iTablet“ könnte die nächste Stufe sein, allerdings hängt dessen Erfolg wieder von der Unterstützung durch die Verlage ab, die die Inhalte liefern und so ein neues Gesamtkapitel in der Mediennutzung aufschlagen würden. Da die aber seit der jüngsten digitalen Revolution und wegbrechenden Werbeerträgen händeringend nach neuen Geschäftsmodellen suchen, wird die Jobsinitiative auf offene Ohren gestoßen sein, das zumindest ist indizienweise zu vermuten.
Apple und Google: Kooperationspartner gegen Microsoft?
Ein ganz anderes Kapitel ist, dass Google so groß und erfolgreich geworden ist und inzwischen nach seinem Handy-Betriebssystem „Android“ und dem Webbrowser „Chrome“ sogar ein eigenes Computer-Betriebssystem entwickelt, das Windows auch quantitativ den Rang ablaufen könnte. Google könnte bald Microsoft in seiner Funktion als den marktdominierender Systemlieferant ablösen oder zumindest einschränken und hätte in Apple, das strukturell ähnlich erfolgreich in der Vermarktung von Inhalten wäre wie Google in der Vermarktung von Online-Werbung, u.U. Einen starken Allianzpartner. So könnte Apple am Ende Microsoft doch noch eine lange Nase zeigen, was bisher nie gelungen war, da Apple bezüglich seines Betriebssystems lediglich über ein Nischendasein deutlich unter 10% Marktanteil noch nie hinauskam. Die nächsten zwei Jahre werden in dieser Hinsicht spannend werden und vielleicht die alte Computerwelt, die lange vor dem Inernetzeitalter entstanden ist, vollständig umkrempeln.