Die arme Fußpflegerin hatte sich gedacht: Jetzt tu‘ ich auch mal was, bin doch meines eigenen Glückes Schmiedin. Jetzt ist doch Weihnachten, da steigt der Umsatz bei uns Dienstleistern. Sagt doch das Brüderle immer in der Tagesschau. Ich muß nur Werbung machen für mein Unternehmen.
Also kaufte sich die arme Fußpflegerin einen sehr niedlichen, sehr kleinen Weihnachtsbaum, den sie vor ihrem sehr kleinen Geschäft aufstellte. Dazu hat die arme Fußpflegerin noch mit einer Lichterkette das Schaufenster ihrer wirklich sehr kleinen Geschäftsräume umkränzt.
„Jetzt ist doch Weihnachten“, sagte sich die arme Fußpflegerin, „die Menschen werden sich wohl schon die Füsse pflegen lassen, denn ihr Schuh drückt ja wie meiner“, „und sie möchten davon befreit werden“, dachte sie bei sich.
Die Menschen möchten wie Hermes, der Götterbote mit dem flugen Schritt, wie Nike, die Turnschuhgöttin, die für den Sieg steht, ja wie: Aphrodite, Mutter der Welten alles Schönen, befreit dem Ort der Sorgen, entrückt dem Pfuhl der stinkenden Socken und der verwachsenen Zehennägel schnellen Schrittes enteilen.
Und dann würde sie, die Fußpflegerin durchaus ihr Scherflein dazu beisteuern können mit ihrer Kunstfertigkeit, dem jahrzehntelangen Beherrschen der Instrumente des Hornhautwegraspelns, des Hühneraugenwegzupfelns und der klassischen Pediküre im Allgemeinen.
Aber niemand kam. Niemand liess sich die Füße pflegen. Niemand stieg an auf die Geschäftsidee im Sinne des Brüdelers. Die arme Fußpflegerin dachte an Rente und an nichts.
Doch da war ein Licht: Ein- und zwei- dreimal zundelte und glommte, glimmte es. Da hat das Mädchen mit den Schwefelhölzern bei der armen Fußpflegerin geklopft.
One Response to “Ein Weihnachtsmärchen: Die arme Fußpflegerin”
Das Weihnachtsmärchen in der Krise wie das Land? Oder beißt sich die Postmoderne an der letzten Bastion des abergläubigen Kitsches die Zähne aus?
Aus dem Grab entsteigt das Andersensche Zombie-Mädchen, das schon 1845 erfor, in eine triste Welt, in der der Glanz des Jenseits zu einem Glimmen erstorben ist. Wird es denn immer schlimmer? Schuldet uns der Autor in diesen Zeiten nicht etwas hartnäckigeren Trost?