Nachdem ich jahrelang allseits gehänselt (aber auch gegretelt) worden war, ob meines völlig unzureichenden Kommunikations-Equipments, habe ich mir jüngst ein Handy zugelegt, das ein wirklich gutes Freisprechtool vorweisen kann. Wenn ich koche, lege ich es auf den Küchentisch, gehe hin und her, arbeite und telefoniere dabei.
Ich spreche – was für mich Neuland ist – ganz allgemein in den Raum hinein als meinte ich niemanden Bestimmten mehr, und mein Telefonpartner versteht mich klar und deutlich, nur unterbrochen von Soßenaufgüssen, abgeschütteten Kartoffeln usw. Das hat etwas Lockeres, Ungebundenes, dem gesamten kommunikativen Prozess unterliegt sozusagen der Odem der Freiheit. Und dann das Körperliche: Keine Druckstellen am Ohr mehr nach Dauertelefonaten, keine Angst mehr, dass es plötzlich „plopp“ macht und sich eine Krebsgeschwulst wie eine Art Kuckuck aus einer Kuckucksuhr aus meinem Ohr ausklappt.
Heads up, Kühlschränke und Blue Tooth
Ich muß an den neuen Kühlschrank denken: Mein alter war kaputt gewesen. Es mußte schnell ein neuer her, zu viele verderbliche Lebensmittel. Es kam ein Spezialist für schnelle Fälle, da es ein Einbaukühlschrank mit ungewöhnlicher Einbauhöhe war. Der Mann trug ein Headset, das über Bluetooth mit seinem Handy verbunden war, das flatratemäßig die ganze halbe Stunde anblieb und auf meinem Küchentisch lag. Während ich mich noch mit ihm sprechend wähnte, redete er seelenruhig dazwischen. Er redete aber nicht mit mir, sondern mit Monique, die in Echtzeit in seinem Büro 12 km entfernt Kühlschrankkataloge wälzte, um die richtigen Maße zu finden und Preise bzw. Lieferzeiten zu melden. Eine surreale kommunikative Situation.
Der freundliche Gruß von nebenan per Handy
Es passiert es mir auch, dass mich wildfremde Menschen auf dem Weg zur Haltestelle freundlich grüßen und ich überrascht den Gruß erwidere, weil ich ihr Headset nicht gesehen habe und sie in Wirklichkeit gerade Fritzi oder Gerdi am Telefon begrüßt haben. Ich kann also nicht mehr unterscheiden, wer Selbstgespräche führt oder verdeckt telefoniert.
Nachhaltiges Telefonieren gegen die Sinnkrise
Das habe ich mir zu eigen gemacht. Ich telefoniere mit meiner Freisprechantage jetzt auch überall, in der Stadt, im Büro, in der U-Bahn. Ich rede laut und deutlich, (technologische) Minderwertigkeitskomplexe ade! Es ist mir aber passiert, dass ich so laut und deutlich geredet habe, obwohl mein Handy noch zuhause auf dem Wohnzimmertisch lag. Ja, ich habe angefangen, Selbstgespräche zu führen, klar und deutlich, ein Erkenntnisprozess, Selbstfindung, der Beginn der Emanzipation, der Selbstbehauptung. Es ist aber auch niemandem aufgefallen, weil alle denken, ich telefoniere.