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Gerade eine ehrliche Antwort erhalten

Sarah Wagenknecht und ihre Partei "Die Linke": Wirkt sie überzeugend für die Partei, wenn sie persönlich überzeugt?

Mein Dilemma ist bekannt. Ich zaudere seit einer Befragung des Wahl-O-Mat zwischen einer Wahlentscheidung für die Grünen und die Linke. Hab also die beiden Bundestagskandidaten in meinem Wahlkreis, Düsseldorf Oberbilk, angeschrieben.

Sahra Wagenknecht
hat zuerst geantwortet. Ihre Antwort fiel umfassend und ehrlich aus.

Hier zunächst meine Mail vom 21.09.09 an Frau Wagenknecht:

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

wenige Tage vor der Wahl bin ich immer noch unentschieden. Vor einigen Tagen befragte ich den Wahl-O-Mat. Das Ergebnis war, dass Linke und Grüne gleich auf lagen.

Ich bin seit vielen Jahren Mitglied der Grünen, trat ein, um den Umweltgedanken nach vorne zu bringen. Das grüne Projekt hat in dieser Hinsicht schon viel geleistet. Unweltsensibilität ist in dieser Gesellschaft fest verankert. Zur Zeit drängen mich stärker die sozialen Fragen. Dafür war früher die SPD zuständig, doch die hat sich allzu sehr verändert.

Da anhand der Wahlprogramme eine Entscheidung für mich nicht möglich ist, müssen andere Kriterien her. Zum Beispiel die Frage, welche Partei ihre sozialen Vorstellungen besser durchsetzen wird.

Bei beiden Parteien habe ich so meine Zweifel. Die Grünen haben Hartz IV mitgetragen, ihr Klientel besteht gerade nicht aus den sozial schwachen. Die Linke zeigt in Berlin, dass sie kuschelzahm ist.

Sie haben nun die Chance, mich von Ihnen und Ihrer Partei zu überzeugen. Warum soll ich bei einem Patt zwischen Grünen und Linken die Linken wählen?

Eine ähnliche Mail werde ich auch an den Kandidaten der Grünen schreiben.

Erwarte gespannt Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Ganswindt

Nun die Antwort:

Lieber Manfred,
herzlichen Dank für Ihre email und Ihre Fragen.
Man muss den Grünen in der Tat zu Gute halten, dass sie das Bewusstsein für
ökologische Fragen geschärft haben. Allerdings sind die Grünen der achtziger
Jahre nicht mehr die Grünen von heute, d.h. die Partei hat sich von
pazifistischen, ökologischen und sozialen Positionen mehr und mehr entfernt.

Umgekehrt hat DIE LINKE die Ziele und Inhalte der Ökologiebewegung
aufgegriffen und verinnerlicht. Selbst die Financial Times Deutschland räumt
ein, dass die umweltpolitischen Forderungen der Linken weiter gehen als jene
der Grünen. Zum Beispiel will die Linke die deutschen CO2-Emmissionen bis
2020 halbieren (statt um 40% zu reduzieren). Und statt auf Marktmechanismen
(wie den Emissionshandel) zu setzen, fordern wir ein Verbot
umweltschädlicher Stoffe und Technologien sowie strikte Emissionsvorgaben,
die nicht überschritten werden dürfen.

Für die LINKE ist die ökologische Frage untrennbar mit der sozialen Frage
(und der Friedensfrage) verbunden. Um höhere Profite zu erzielen, werden
Kriege um Öl und um andere Ressourcen geführt, wird die Ausbeutung von
Bodenschätzen und Arbeitskräften auf die Spitze getrieben. Die Folgen sind
inzwischen unübersehbar: Wir steuern auf eine Klimakatastrophe zu, die
Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander, vor allem im
Süden leiden unzählige Menschen unter Armut, Kriegen und der
fortschreitenden Zerstörung ihrer Umwelt. Wir denken, dass die aktuelle
Krise als eine Systemkrise des kapitalistischen Wirtschafts- und
Konsummodells zu begreifen ist – und dass wir dieses System überwinden
müssen (wobei die Vergesellschaftung von Energiekonzernen ein wichtiger
Schritt auf diesem Weg sein kann).

Zur Politik der Linken in Berlin:
Es stimmt leider, dass auch in Berlin unter einem rot-roten Senat Wohnungen
privatisiert, die Löhne im öffentlichen Dienst gesenkt und andere soziale
Kürzungen durchgesetzt wurden. Dies hat mit linker Politik nichts zu tun und
führt zu Resignation bei all jenen, die sich eine Verbesserung ihrer Lage
erhoffen. Allerdings gibt es inzwischen eine Mehrheit in der Partei DIE
LINKE, die mit der in Berlin betriebenen Politik nicht einverstanden war/ist
– mit der Folge, dass DIE LINKE jetzt strikte Mindestbedingungen für eine
Regierungsbeteiligung formuliert hat: Die Lage von benachteiligten Gruppen
muss verbessert werden und es darf keine Privatisierungen, keinen
Sozialabbau und keinen Personalabbau geben!

Der wachsende Druck aus der Partei  hat in Berlin übrigens zu einer gewissen
Kurskorrektur geführt, z.B. wurden weitere Privatisierungen ausdrücklich
ausgeschlossen.

Wie in allen Parteien gibt es leider auch bei uns Menschen, die Fehler
machen oder sogar korrumpierbar sind. Ich hoffe aber, dass es uns niemals so
ergeht wie den Grünen unter ihrem „heimlichen Vorsitzenden“ Fischer – ein
Politiker, der nicht nur Kriegseinsätze befürwortet, sondern inzwischen auch
Lobbyarbeit für gefährliche Ölpipelines (Nabucco) macht und Konzernen wie
RWE und BMW zu Diensten ist.…

Ich hoffe, Sie konnten mit meinen Argumenten etwas anfangen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ihre Sahra Wagenknecht

Sahra Wagenknecht legt sich richtig ins Zeug. Das sie zunächst versucht, mit einer programmatischen Abgrenzung zu den Grünen zu punkten, ist überflüssig. Die Programm-Situation war für  mich bereits abgehackt. Doch dann geht sie sehr ehrlich auf das Problem der Durchsetzungsfähigkeit der Politik der Linken mit besonderem Blick auf Berlin ein.

Dass zum Schluss meint, Joschka noch eins in die Fresse hauen zu müssen, kann ich ihr nicht verübeln. Joschka hält seine Fresse ja so hin, das man prima in sie reinhauen kann. Es wird auch in Zukunft schwierig sein, die besseren Menschen zu wählen. Ich werde mich darauf kaprizieren, die bessere Partei zu wählen.

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