„Hi!“
„Hallo.“
„Ist Dir ne Laus über die Leber gelaufen?“
„Nein, wieso?“
„Du guckst so. Die Männerwelt…?“
„Welche Männerwelt?“
„Na, all die Typen, mit denen Du Dich triffst. Einer von denen…“
„Quatsch, es ist mein Freund.“
„Welcher denn?“
„Welcher denn! Als ob ich einen Harem hätte!“
„Hast Du doch!“
Beide mußten lachen. Sie bestellten sich Getränke, nahmen fast zeitgleich die Tassen in die Hände. Die Stimmung war aufgelockert. So ließ es sich besser reden.
„Nein. Er war weg. In Amerika. Er hat mir etwas mitgebracht, das mich geschockt hat.“
„Was denn?“
„Was zum Anziehen.“
„Was zum Anziehen? Strapse…?“
„Es war ein Hochzeitskleid. Es hat gepasst.“
„Oh-Oh!“
„Und das, obwohl er im Streit gefahren ist. Das war ganz schön herbe. Noch in der Nacht vor der Abreise.“
„Aber das hört sich doch nicht schlecht an. Wie eine Versöhnung.“
„Ich hab es zerschnitten und in den Mülleimer geworfen. Das weiß er noch gar nicht. Jetzt weiß ich nicht…“
„Oh, Scheiße. Du mußt ja eine ganz schöne Wut haben. Ist da was mit ner anderen gelaufen?“
„Weiß ich nicht, nein, ich glaube nicht. Also, ich bin schwanger und er fährt einfach.“
„Aber der Urlaub war doch schon lange gebucht, dachte ich…?“
„Ja, stimmt. Ich hätte aber erwartet, Dass er nicht fährt.“
„Ja, mit dem Kleid, willst Du ihm das sagen? Ich würde es ihm nicht sagen.“
„Doch, er soll auch leiden. Bevor Du gerade gekommen bist, habe ich gedacht, ich rufe ihn mal an.“
„Dann mach das doch. Dann ist reiner Tisch.“
„Was? Jetzt?“
„Ja, warum denn nicht?“
Sie dachte nicht lange nach, griff sich ihr Handy.
„Hi, ich bin’s. Ich sitze mit Britta im T-Pott. Nein, habe ich noch nicht. Hör mal, ich muß Dir was sagen. Ich habe mit Britta gerade drüber geredet. Und ich muß Dir das jetzt sagen: Ich glaube, ich habe das Hochzeitskleid weggeworfen. Nein, warte mal, Du hast mich verdammte Kacke nochmal enttäuscht. Du bist einfach weggefahren. Ja, sicher habe ich das. Ja, tschüß.“
Das Gespräch war abrupt beendet. Erst Schweigen, dann:
„Was hat er gesagt?“
„Er hat gesagt, dass ich ihn mal kann.“
„War das alles?“
„Nein.“
„Was denn noch, sag mal?“
„Er hat nur gesagt, mit dem Kleid hätte ich auch unsere Liebe weggeschmissen. Es hätte keinen Sinn mehr.“
Sie sahen sich an, blickten dann woanders hin. Die eine beobachtete, was der Kellner machte, die andere sah mit einem Finger an den Lippen zum Fenster hinaus. Es war eine sengende Hitze da draußen.
In der U-Bahn in NewYork, hatte er ihr erzählt, wäre es noch heißer gewesen. Als sie ihn vom Flughafen abgeholt hatte, war anfängliche Freude widerwillig der Ernüchterung gewichen. Später, als er ihr das Kleid in die Hand gelegt hatte, hatte sie ohne Weiteres das Symbolhafte daran empfunden, als habe er seine Gefühle in ihre Hände gelegt.
Nachdem sie das Kleid heute Morgen in seiner Abwesentheit zerschnitten hatte, hatte sie es sofort in eine Tüte gestopft und es draußen in die Mülltonne geworfen, die kurz darauf auch schon geleert worden war. Sie hatte das aus dem Fenster wie abwesend beobachtet. Dabei hatte sie in der metallnen Gießkanne auf dem Fensterbrett ihre Spiegelung und ihre Stirnfalten gesehen.
„Dort geht es hin, mit ihm seine Liebe für mich und der Platzhalter meiner Liebe für ihn“, hatte sie fast tonlos gemurmelt, wie um ihre eigene Stimme gerade eben so hören zu können.