Es gibt scheinbar kaum einen größeren Unterschied als den zwischen Kunst und Wissenschaft. Bei der Kunst herrscht größtmögliche Subjektivität, bei der Wissenschaft ist das Streben nach Verobjektivierung entscheidend. Kunst ist eine Reise in die Innenwelt des eigenen Seins, Wissenschaft eine Reise in die Außenwelt der Geschehnisse und Dinge.
Und doch gibt es eine Gemeinsamkeit: Die Suche nach einer Wahrheit. In der Kunst mag das die Suche nach der ideellen Wahrheit sein, die eigene und subjektive Wahrheit, bei der Wissenschaft die Suche nach der allgemein anzuerkennenden Wahrheit der Realität, also des Seins.
Illusion Zeit?
Der Nachweis ist gelungen, dass Zeit relativ ist. Das Bild, das sich aus dieser Erkenntnis ergibt, nennt sich „Blockuniversum“. In diesem Bild sind alle Orte und alle Zeiten in einem Kontinuum der Gleichzeitigkeit enthalten. Weil man Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht so einfach voneinander unterscheiden kann sind alle vermeintlichen Zeitebenen vorhanden und nicht etwa vergangen oder werdend.
Das vermeintlich Reale
Gerade die großen physikalischen Weltbilder und ihre Bestandteile, ob Blockuniversum, Stringtheorien, Relativitätstheorie mit Urknall und Schwarzen Löchern ziehen Bilder nach sich, weil man sie in ihrer Konsequenz nicht verstehen kann, wenn man sie nicht abbildet. Das sind Bilder in Köpfen oder Bilder in Wissenschaftsbüchern, Info-Bilder des Imaginären wenn man so will. Und doch ist klar, dass keines dieser Bilder stimmt.
Das Undarstellbare
Ein Blockuniversum der Gleichzeitigkeit ist nicht abbildbar und nicht vorstellbar – wie viele physikalische Sachverhalte, Abläufe oder Dinge nicht so einfach visualisierter sind, wie von uns aufzufassen. Das heißt, es gibt Darstellungsversuche und doch ahnt man, dass der Versuch im Scheitern an der Unabbildbarkeit endet. Das fängt bereits mit der Struktur des Atomaren oder der Quanten an. Wer kann sich ein Higgs-Teilchen innerhalb eines Higgs-Feldes vorstellen? Wer, wie es aussehen müsste, dass wir nicht aus Materie sondern aus Energie bestehen, die an Konzentrationspunkten etwas bildet, das wir „feste Materie“ nennen, die aber tatsächlich zum überwiegenden Teil aus nichts besteht als Leere, in der Teilchen unendlich schnell rotieren und so den Raum scheinbar oder virtuell füllen? Die Mechanismen der Raumzeit oder die seltsam anmutenden Implikationen der Quantenmechanik bleiben vor dem herkömmlichen menschlichen Erfahrungshintergrund unverständlich und undarstellbar.
Verstehensgrundlage „Veranschaulichung“
Selbst Atome also, für deren einfachen Aufbau es zahlreiche Strukturbilder gibt, sind so, wie sie sind, nicht vorstellbar. All die Visualisierungen der Wissenschaft sind ein Versuch, ermittelte Wahrheiten anschaulich und verständlich gemäß unseres Erfahrungshintergrundes zu machen. Eine Visualisierung ist ein Versuch der Vergewisserung. So wie der Künstler sich in seiner Kunst selbst vergewissert, vergewissert sich der Wissenschaftler in der Bedeutung seiner Erkenntnis über eine verbale oder visuelle Sichtbarmachung.
Der unbekannte Mensch
Dabei sind die Gegebenheiten des Allerkleinsten im Quantenbereich und des Allergrößten im planetaren oder kosmologischen Maßstab das eine. Das andere jedoch ist das Unbekannte im Menschen selbst. Das betrifft Fragen, wie etwa das Leben entstehen konnte und danach das Bewusstsein. Etwas weniger grundsätzlich geht es aber darum, ob der Mensch ein „Ich“ im gedachten Sinne hat oder ob das „Ich“ ein eingebildetes oder zumindest virtuelles Konstrukt ist. Eine weitere sich daran anschließende Frage könnte sein, wie offen bzw. fluktuierend das Ich ist und woraus seine Grundlagen bestehen. All dies verlangt nach einem Blick hinein in das tiefste Innere des menschlichen Lebens – und dort bisher verborgen kann etwas zu finden sein, das mit herkömmlichen Mitteln von Wissenschaft, Erkenntnis und bewusstem, methodischen Denken nicht darstellbar und nicht visualisierbar ist. Darum versucht es die Kunst und hat dabei vielleicht einigen Erfolg gehabt. Ob das tatsächlich so ist, dafür gibt es keine Worte, nur Bilder, die man betrachten und in denen man etwas erblicken kann. Ein Beispiel mag das Werk des Österreichers Egon Schiele sein, dessen Portraits das Innenleben des Menschen auf eine neue Weise offenbarten und als visuelle Parallele zur aufkommenden Psychoanalyse von Sigmud Freud gesehen werden kann.
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