Daran, was die wesentlichen Begriffe im Leben – wie Liebe oder Kunst – tatsächlich bedeuten oder ob sie überhaupt existieren, kann man sich endlos abarbeiten. Manchmal kommt man zu einem Ergebnis, manchmal nicht.
Wenn man ein Ergebnis hat, meint man, man käme damit der Begrifflichkeit näher, um kurz danach festzustellen, dass das kleine positive Zwischenergebnis nur ein Trugschluß war und sich – im Gegenteil – die Entfernung zur Begriffsdefinition vergrößert hat.
Begriffe und Bildhaftigkeit
Wir sprechen hier über Worte, die Begriffe bilden. Was aber, wenn man nicht nach Worten sucht, um Kunst zu definieren, sondern nach einem Bild, in dem all das vorhanden ist, was Kunst sein könnte. Hört sich leicht an aber so ein Bild ist nicht einfach zu finden.
Stile und Darstellungsformen
Das Bild oben verkörpert einiges, das Kunst für mich ausmacht. Zunächst sind da verschiedene Bildelemente und -bereiche, die für drei wesentliche Ausprägungen von Kunst stehen: Die waagerechten Linien im Hintergrund des Bildes und die sich perspektivisch verjüngende Linien im Vordergrund stehen für das konstruktivistische Prinzip. Die Zartheit des zentralen Bildmotives, des Glases, wirkt für mich impressionistisch. Die Dunkelheit der Schatten vor allem links hat eine expressionistische Anmutung. Konstruktivismus, Impressionismus und Expressionismus: das sind drei Stilistiken, drei Arten, etwas abzubilden. Das ist die eine Ebene, die das Foto beinhaltet.
Schatten und Körperlichkeit
Der Gegenstand wirft einen Schlagschatten nach rechts oben. Da das Glas transparent ist, ist dieser Schatten anders als die meisten anderen Schatten, die man kennt, da die normalerweise massiv und dunkel wären. Hier ist der Schatten hell und filigran strukturiert. Ein Schatten bildet ein metaphorisches Tandem mit seinem Gegenstand, der den Schatten erzeugt. Ein Schatten ist wie ein Negativ. Und besonders hell und hart ausgeleuchtete Gegenstände zeitigen die tiefsten und dunkelsten Schatten. Gegenstand und Schatten, Hell und Dunkel sind wie These und Antithese, sie metaphorisieren Dualität, Polarität, Dialektik und damit die Gegensätzlichkeit des Lebens.
Spiegelung und Doppeldeutigkeit
Neben dem Schatten ist eine beliebte Metapher in Kunst und Literatur die Spiegelung. Im Bild oben reflektiert, bricht und spiegelt vor allem der doppelwandige Glasrand eine kreisrunde Licht-Corona auf den Holzfußboden. Im Glas selbst spiegelt sich die Natur, die durch das Fenster zu sehen wäre. Die Spiegelung ist eine Metapher für Doppeldeutigkeit oder Mehrdeutigkeit, für Zwiespalt, Bruch, Zerrissenheit oder Spaltung. Der Blick in den Spiegel kann eine zweite Ebene, eine neue Dimension oder eine andere Realität abbilden.
Interpretation und Sinntiefe
All dies zeigt, wie Sinnstiftung funktioniert: Darstellungsweisen und Bildeigenschaften lassen sich ausdeuten, indem man den Elementen Inhalte zuordnet. Ein Bild kann so mit seiner eigenen Bedeutung schwanger gehen.
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