Kunst basiert auf Rezeptionsgewohnheiten, erweitert diese und kann die Wahrnehmung neu justieren. Haltungen wie „Das habe ich immer so gemacht“ oder „Ich will mich nicht verändern“ sind genau das Gegenteil innovativer Kunst, die Wahrnehmungsschranken einreißt oder die Höhe von Wahrnehmungsschwellen oder Akzeptanzschwellen senkt.
Dabei wirken im Alltag Verstärker: Man neigt im Normalfall dazu, sich jene Reize zu suchen, die die eigenen Vorlieben verstärken und bringt sich dadurch um den Genuss des Neuen. „Das Neue“ ist immer das, das Erfahrungsspielräume und Handlungsmöglichkeiten erweitert.
Kunst und ihr viraler Charakter
Sieht man das Werk eines Künstlers und ist zunächst davon abgestoßen, weil es nicht dem entspricht, was man gewohnt ist oder was man sofort verstehen kann, weiß man es irgendwann unter Umständen doch zu würdigen. Dies mag dem viralen Charakter von Kunst geschuldet sein.
Kunst und ihre nachhaltige Viralität
Denn Ideen, die einem zunächst nichts sagen, weil sie zu fremdartig sind und nicht in den eigenen Erfahrungshorizont integriert werden können, setzen sich mitunter wie Viren in einem Organismus fest: Man bekommt sie nicht aus dem Kopf. Sie bleiben vorhanden, um irgendwann, wenn man neue Erfahrungen gemacht hat, neuerlich anzudocken und das Denken und Fühlen zu beeinflussen. Das ist allerdings mit allen bewusstseinserweiternden und bewusstseinsverändernden Ideen so.
Kunst als Form, Inhalt, Ausdruck und Idee
- Kunst ist eine Form. Die Malerei von Vincent Van Gogh beispielsweise hat der bis dahin etablierten Kunst neue Maltechniken und Sichtweisen hinzugefügt. Van Gogh hat eine neue Formensprache in der Kunst entwickelt. Impressionismus und Expressionismus haben insgesamt Wahrnehmungen und Sehgewohnheiten revolutioniert.
- Kunst ist ein Inhalt. Egon Schiele hat der damaligen Kunst als pornografisch empfundene Motive hinzugefügt und einen inhaltlichen Tabubruch begangen, weswegen er sogar ins Gefängnis musste.
- Kunst ist ein Ausdruck. Und damit also eine Art und Weise, einem Inhalt eine spezifische Form zu geben. Jede Kunstrichtung ist als solche zu erkennen, weil sie meist eine unverwechselbare Art hat, wie sich die Künstler ausdrücken.
- Kunst ist eine Idee. Neben Form, Inhalt und Ausdruck ist Kunst ein Transportmedium für Ideen. Ideen, ob kommunikative, politische, soziale oder technische, werden nicht immer sofort verstanden, setzen sich aber fest, werden verinnerlicht, gewendet, variiert und letztlich gelebt und wirken über diesen Umweg dann doch.
Kunst als Virus
Diese Funktionsweise wird heutzutage als „viral“ bezeichnet. Damit ist die unkalkulierbare Verbreitung von Botschaften gemeint. Doch Ahnherr und Urmutter dieses Prinzips in der Kultursphäre ist die Kunst – wenn sie ihre Vorteile ausspielt. Dann ist Kunst im besten Sinne eine Idee, die nachhaltig wirkt.
Weitere Kunsttagebücher:
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8 Responses to “Kunsttagebuch: Bewusstseinserweiterung oder warum Kunst ein Virus ist”
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