Kunst ist ein Ausdrucksmedium. Ein Kommunikationskanal, über den man einem Inhalt eine Form geben kann, um etwas, das man mitteilen möchte, auszudrücken. Was drückt man aus? Etwas, was man mitteilen möchte: Der Inhalt sind die Fahrgäste, die Form ist der Zug oder Überlandbus oder eine luftverpestende Passagiermaschine.
Der Inhalt kann oberflächlich oder tiefschürfend sein. Man geht bei der Definition von Kunst unter Umständen von einer inhaltlichen Wertung aus. Nach dem Motto: Gute Kunst soll etwas bestimmtes auszusagen haben.
Qualität und Quantität in der Kunst
Alles andere wäre gemäß dieser Annahme kommunikativer Müll. Aber Kunst birgt – fernab vermeintlich „falscher“ Inhalte – eine Verlockung, die man zum Beispiel von der dekorativen Salonmalerei kennt: Handwerkliche Meisterschaft oder Perfektion, die aber ansonsten nichtssagend ist, nur dekorativ: eine visuelle inhaltsleere Blase. Die Versuchung für den handwerklich kompetenten Künstler liegt in der Vordergründigkeit, in der Ästhetisierung des Nichts, im Verbleiben an der formalen Oberfläche – ohne Ausdruckskraft, ohne (neue) Inhalte, ohne Menschlichkeit, ohne Leidenschaft, die Ausdruckskraft mit sich bringen würde.
Kunst als Luftballon und als Schiff mit Tiefgang
Damit ist nicht gemeint, das Kunst laut und wild sein muss. Es ist auch nicht gemeint, dass ein verstandesmäßig erfassbarer Inhalt gefordert ist. Es ist nicht gemeint, dass ein überhaupt nicht nachdenkender Künstler nicht auch Inhalte schaffen kann. Es ist gemeint, dass es Menschen gibt, die nichts zu sagen und nichts auszudrücken haben – dementsprechend kann ihre Kunst sein.
Es ist ja-ja-möglich, sinnfrei zu kommunizieren
Einwenden könnte man hier gemäß eines weit verbreiteten Postulats, dass man nicht Nicht-Kommunizieren könne. Dieses Postulat wertet aber nicht qualitativ, sondern stellt fest, dass rein technisch, Nichtkommunizieren nicht möglich ist. Es ist aber sehr wohl möglich, der gesellschaftlichen Gesamtkommunikation leidenschaftslos und uninspiriert lediglich sich wiederholende Platitüden hinzuzufügen.
Eine Form allein kann ein Inhalt sein
Schließlich kann aber ein Inhalt die Form selbst sein, auch wenn das wie ein Widerspruch klingt: Auch der oberflächliche, rein visuelle Bruch mit Sehgewohnheiten kann ein Statement gegen eingefahrene Rezeptionsmuster sein. Dann ist er bewusstseinserweiternd und ein Inhalt.
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6 Responses to “Kunsttagebuch: Wann Form ein Inhalt sein kann”
[…] Evan Wilson ist so retro, dass man es kaum glauben mag. Sein Ziel scheint zu sein, den Augenblick dekorativer Schönheit festzuhalten, wie in der Salonmalerei des 19. Jahrhunderts oder davor im Akademizismus. Dabei hat […]
[…] im anspruchsvollen Film Kunsttagebuch: Warum die Größe einer Zeichnung ihre Aussage verändert Kunsttagebuch: Wann Form ein Inhalt sein kann Kunsttagebuch: Was könnte das sein? Kunsttagebuch: Gedanken-Gefühls-Bilder innerhalb einer […]
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