Gesichtstraum

Pass auf, hör jetzt mal genau zu: ich habe geträumt, ja, heute Nacht, ich habe einen Traum gehabt. Also kurz und gut: ich habe geträumt, dass ich dir erkläre, dass ich für Kev das jetzt machen muss.

Was? Ja, einen Auftrag, dass ich den machen muss. Also, dass es eine Notwendigkeit ist. Finanziell. Ja, finanziell. Also, es geht um unser Überleben. Also, ich habe geträumt, dass ich dir das erzähle und dass ich mich im Traum gegen dich durchsetzen muss, weil du K nicht leiden kannst, weil du ihn ätzend findest und weil du dich als Mensch, als Person vielleicht und Frau zurückgesetzt fühlst. Also du willst partout im Traum nicht, dass ich das mache. Verstehst du? Verstehst du nicht? Warum nicht? Ja, gut, es ist ein Traum, im Grunde kann man den auch nicht unbedingt verstehen.

Aber überleg doch mal folgerichtig: Es geht um unser Überleben und du sagst nein. Also „Nein“, einfach weil du ihn nicht leiden kannst. Was der Traum bedeuten soll? Keine Ahnung, ich weiß es ja auch nicht. Verstehst du? Träume sind unlogisch, haben mit der Wirklichkeit nicht unbedingt etwas zu tun. Warum ich den blöden Traum erzählt habe? Wieso nennst du ihn „blöde“? Es ist ein ganz normaler Traum. Was? Ob ich für K was mache? Natürlich mache ich für K etwas, wie immer, ja schon seit Jahren, länger als wir und kennen, andauernd, andauernd. Ja, der hält uns am Kacken. Du kannst dich nicht verbiegen? Was soll der Scheiß denn jetzt heißen? Was? Spinnst du? Du willst nicht, dass ich für ihn arbeite? Und wovon soll ich die Brötchen verdienen? Was? Es geht um uns und nicht nur um mich? Natürlich geht es um uns. Ich habe „Ich“ gesagt, weil ich für ihn arbeite und für uns das Geld verdiene. Warum kann ich da nicht von mir sprechen?

Ich verstehe dich immer noch nicht. Man darf nicht für den Teufel arbeiten? Welchen Teufel? Das ist nicht der Teufel, das sind deine Gefühle. Er ist sauer, weil er nicht bei dir landen kann? Wie „landen“? Er hat dich angemacht? Wann denn? Bildest du dir das nicht einfach nur ein? Er hat dir geschrieben? Was? Wie jetzt? Per Chat? Hast du das noch? Gelöscht? Warum gelöscht? Weil dir das zu obszön war? Äh, also, warum erzählst du mir das jetzt erst? Aha, achso. Gut, ok. Nein, natürlich versteh ich dich. Ja, selbstverständlich, klar glaube ich dir, ja, alles, ich stelle das ja nicht in Frage. Ja, ich habe auch Verständnis für dich. Ich weiß, dass das nicht das gleiche ist. Ja, tja, ich muss jetzt los. Ja, zu K. Nun, ja, es geht um das neue Projekt. Was? Vermutlich zwei Jahre Laufzeit. Was jetzt, du willst das nicht? Klar, natürlich liebe ich dich noch. Ich muss aber jetzt erstmal los, wir können heute Abend…/

Dann bist du nicht mehr da? Wohin fährst du denn? Die Kinder sind auch nicht da? Mensch, jetzt komm‘. Ich muss mich entscheiden? Worüber denn? Bzw. wofür denn? Er ist ein Drecksack? Ein geiler alter Sack? Jetzt mal ganz ehrlich, wir können doch über alles reden. Pass auf, mal ganz ruhig, hör mir bitte mal zu: Das ist beruflich, du musst meine Auftraggeber nicht mögen. Hat er dir wirklich geschrieben? Wovon sollen wir dann die nächsten beiden Jahre leben? Schon, aber mit allen anderen zusammen mache ich nicht halb soviel Umsatz wie mit ihm allein. Ich müsste Leute entlassen oder unheimlich viel Zeit in das Neukundengeschäft stecken, mit jeder Menge Auswärtsterminen und Wochenendarbeit. Sag mir doch bitte mal, was für Argumente du hast. Natürlich nehme ich dich ernst. Natürlich. Nein, du musst nicht meinen Erwartungen entsprechen. Nein, nein, du kannst natürlich so sein wie du bist, du musst dich nicht verbiegen. Ich will, dass du meinen Erwartungen entsprechen musst? Nein, wirklich nicht. Nein. Och, Mensch, jetzt wein‘ doch nicht, komm, nein, natürlich hab ich dich lieb. Der ist mir doch scheißegal, okay, ich ruf ihn an, nein, kein Problem. Nein, es ist mir wichtiger, das muss ich wirklich sagen, es ist mir wichtiger dass es uns gut geht. Also auch dir. Nein, ich verkaufe meine Seele nicht für Geld. Dann müssen wir eben etwas kürzer treten. Ich gleiche das einfach mit etwas mehr Arbeit aus, oder mit viel mehr Arbeit: Macht aber nichts, ist gleich, ich hab dich lieb. Was? Die Hypotheken, tja, müssen wir mal sehen, ich hab ja gesagt, dass K die Grundlage ist. Erstmal ja, aber mittelfris…/

Ich hab ja gesagt, es wird nicht so einfach, den Hauptkunden zu ersetzen ist im…/ Es ist eine Feriensiedlung, die Planungen laufen, ja, in Spanien. Du würdest gerne in Spanien Urlaub machen? Ja, ok, lass uns heute Abend drüber reden, ich sag ihm jetzt erstmal ab. Was? Aber du hast doch gerade gesagt, dass…/ Ich soll nicht absagen? Also, hör mal, erst soll ich absagen und jetzt nicht mehr, du willst doch heute Abend drüber reden? Aber…/ Nun fang doch nicht schon wieder an. Hier hast du ein Taschentuch. Warte…/ Nein, klar, ich verstehe das. Doch, du hast recht.