Die Anfänge: GraceRallye
Grace Jones war ein Designprodukt. Teils hochgradig kalkuliert, teils aber auch wie gemacht für den medialen Crossover zwischen modeaffinem Hingucker, musikalisch neuartiger Performerin und unermüdlichem Party-Girl.
Die Musik von Grace Jones zwischen 1980-1982
Musikalisch war sie in ihrer besten und unverwechselbarsten Phase zwischen 1980 und 1982 mit den drei Alben „Warm Leatherette“ (1980), „Nightclubbing“ (1981) und „Living My Life“ (1982) in den Händen der Reggae-Produzenten Chris Blackwell, der zugleich Inhaber von Island Records war und mit seinem Label Rockgeschichte geschrieben hatte, und Alex Sadkin, der ein schlafwandlerisches Händchen dafür hatte, herauszukitzeln, was Studiotechnik und Kreativität der von ihm betreuten Künstler hergaben.
Der Musikstil: Zwischen Reggae und New Wave
Vom Stil her wurden Reggae und New Wave miteinander gekreuzt. Die Mischung war damals einmalig. Was aber auch eine nicht zu unterschätzende Besonderheit der Sängerin war, war ihre visuelle Präsenz. Als laufsteggewöhntes Model war es für sie normal, ausgefallene Outfits zum besten zu geben.
Jean-Paul Goude und Grace Jones
Ihr damaliger Lebensgefährte Jean-Paul Goude machte aus ihr ein artifizielles Gesamtkunstwerk. Er entwarf kubistische Buhnenoutfits und -Decors, fotografierte sie für ihre Plattencover und veränderte sie per Retusche malerisch: Mal verlängerte ihre Gliedmaßen auf einem Foto, mal schnitt er die Konturen ihres Gesichtes noch prägnanter zurecht. Fotos, Bühnenpräsenz und Videos erreichten einen Grad an Ästhetik, der zur medialen Kunst avancierte. Jean-Paul Goude, der Fotograf, wurde in der Werbung zum viel gefragten Werbefilmer, zum Event-Manager, zum Meister der medialen Inszenierung. Mit Grace Jones hat er einen Sohn, Paulo Goude, der auch auf ihrem letzten Album „Hurricane“ mitgearbeitet hat.
„Slave to the Rhythm“ mit Trevor Horn
Grace Jones ließ sich nach dieser Triologie Anfang der 80er-Jahre, nach der sie sich von ihren musikalischen Mentoren getrennt hatte, in die Hände von Über-Produzent Trevor Horn fallen. Mit „Slave to the Rhythm“ legte sie unter seiner Regie ein hervorragendes und zugleich noch einmal eigenständiges Album vor. Trevor Horn hatte bereits 1982 mit ABC „The Lexicon of Love“ und 1984 mit Frankie Goes to Hollywood „Welcome to the Pleasuredome“ produziert und damit Riesenerfolge gehabt. Als der wohl wichtigste Popproduzent schuf er 1985 das letzte wirklich überzeugende Album von Grace Jones, das wieder einem medienkünstlerischen Gesamtanspruch Rechnung trug.
Nile Rodgers produzierte Grace Jones
Danach, 1986, kam das insgesamt wenig überzeugende von Nile Rodgers produzierte „Inside Story“, das am nicht überzeugenden Songwriting krankte, das von Grace Jones und Bruce Woolley verantwortet wurde. Was das Grafik-Design anbelangte, war sie zu den Ursprüngen ihrer ersten drei Alben zurückgekehrt.
Endphase und kommerzieller Niedergang
Die Beziehung zu Jean-Paul Goude war auseinandergegangen. Die Zeit ihrer Medienauftritte, ihrer großen Platten mit neuartiger Musik, die Zeit des Studio 54, in dem sie die Ikone der schwulen Gemeinde geworden war und auch die Zeit der tanzbaren Discomusik – sie alle waren vorbei und vorüber. In den drei Jahren zwischen 1980-1982 hatte Grace Jones mit ihren künstlerischen Beratern den wohl perfektesten multimedialen Ausdruck massenkompatibler Popmusik gefunden, wenn sie auch erst mit „Slave to the Rhythm“ das amerikanische Massenpublikum erreicht hatte und damit den größten kommerziellen Erfolg feiern konnte. Vorher galt sie dort eher als Enfant terrible. Es folgte 1989 das erfolglose „Bulletproof Heart“ und dann erst wieder das überzeugendere aber wenig überraschende „Hurricane“ von 2008. Mit dabei auch wieder die Rhythmusgruppe Sly&Robbie, Gitarrist Barry Reynolds und Keyboarder Wally Badarou als Teil der Studiogruppe Compass Point Allstars, die den Sound der Island-Studio-Sessions anno dazumal geprägt hatten. Grace Jones ging als über 60jährige auch wieder auf Tournee, wo sie überzeugen konnte. Kommentieren.