Es war einmal ein Bauer, der in der Kargheit der niederösterreichischen Bergwelt sein Leben fristete. In den bitterkalten Wintern hatte er kaum ein Auskommen. Das wichtigste war, das Jahr über genügend Holz zu sammeln und zu trocknen, damit er und seine Familie nicht erfroren. Erfroren sie nicht, versuchten sie, nicht zu verhungern. Holz war für sie wertvoller als Gold in diesen Zeiten.
Eines Tages, es war ein strenger bitterkalter Winter, ging der Bauer in den Schuppen, um das letzte Holz zu holen. Er blickte auf den leeren Platz, auf dem sich vor Wochen noch das Holz gestapelt hatte und kratzte sich ratlos am Kopf. Er nahm das Holz, warf es in der Wohnung auf die Erde vor den Kamin und nuschelte seiner Frau zu „Das Letzte“. Dann ging er in die Wohnstube, zog den großen Sessel quer durch den Raum und zur Haustür hinaus und brachte den Sessel in den Stall. Draußen schneite es. Die Frau kam ihm hinterher. „Lass. Den nicht.“ Sie runzelte unsicher die Stirn. Der Bauer sah sie gar nicht an, als er sagte: „Dein Vater ist drin gestorben, sollen jetzt wir es ihm gleichtun?“ Die Frau ging zurück in die Wohnung.
Der Bauer hob einen Hammer und wollte die Armlehnen abschlagen. Da sagte der Sessel: „Nicht! An mir ist nur wenig Holz. Es lohnt nicht. Das meiste ist Leder und nicht brennbares Füllmaterial“ Der Bauer sah auf. „Verdammt noch mal, der spricht ja“, entfuhr es ihm. „Nur ganz selten, nur wenn ich muss“, entgegnete der Sessel beflissen. „Geh in die Höhle am Weiher. In ihr wächst ein seltener Strauch mit sehr dicken und besonders brennfreudigen Ästen. Du kannst ihn abholzen und musst ihn nicht trocknen. Damit kommst du lange hin.“
Der Bauer überlegte. Es war weit bis zum Weiher. „Davon habe ich nie gehört. Was ist das für ein Strauch?“ Der Sessel formte die Worte wohl bedacht, um seiner Vernichtung zu entgehen. „Es ist jenes Gewächs, aus dem der Urgroßvater deiner Frau mich geschnitzt hat. Es ist ein verzaubertes Holz. Und wenn du nicht daran glaubst, dann frag dich mal, warum ich sonst sprechen kann.“ Der Bauer mochte nichts von alledem glauben, teils aus Misstrauen, teils aus Stumpfsinn. Aber der Sessel war immer jener Platz in seinem bedürfnisarmen Leben, der am bequemsten gewesen war. So bekamen die Worte des Sessels doch Gewicht.
Der Bauer nahm den Schlitten, belud ihn mit allerlei Seilen und machte sich auf zum Weiher. Dort angekommen ging er in die Höhle und suchte nach dem Strauch. In der Mitte der Höhle fand er ihn, an einem Ort, an dem durch einige Spalten von oben sehr helles Licht einfiel. Und der vom Erdreich an dieser Stelle erwärmte Stein ließ den Schnee schmelzen und es in der Höhle regnen, sodass der riesige Strauch darin genügend Licht und Wasser bekam, um immer gut wachsen zu können.
Bevor der Bauer anfing zu sägen, betrachtete er den Strauch, der verwachsen und knorrig wie ein Baum war und dessen Äste viel Holz geben mochten und machte sich seine Gedanken. Dann fing er an zu sägen. Es war ein langer, kräftiger Ast, der schließlich nach einer ganzen Zeit hinab fiel. Im Geräusch des fallenden Astes, der sich vom Stamm abtrennte, vernahm der Bauer ein Weinen. Der Strauch, flennte und flehte, er möge aufhören mit seiner Arbeit. „Wir müssen leben“, sagte der Bauer, als er den Ast mit der Axt teilte und auf den Schlitten lud. „Warum“, fragte der Strauch, „kommt ihr nicht einfach hier her? Hier ist es das ganze Jahr über warm, aus der Erde kommt Hitze. Ihr könnt eure Vorräte draußen lagern und von meinen Früchten essen. Ihr werdet nie verhungern, das verspreche ich.“
Der Bauer hatte genau daran auch schon gedacht. Selbst, wenn es nachts kalt würde, könnte er vom Strauch nehmen und ein Feuer machen, und die Früchte der seltsamen Pflanze waren sättigend und schmackhaft. So überlegte der Bauer eine Zeit. Die Höhle mit ihrer Wärme entkrampfte seinen Körper, seit langer Zeit fühlte er sich zum ersten mal richtig wohl. Er aß eine Frucht, die ihm sehr schmeckte. „Gut“, sagte er, „wir ziehen nach hier um. Ich gehe zurück, morgen kommen wir zurück.“ Der Strauch dankte ihm.
Der Bauer sah – als er mit dem Schlitten und dem Brennholz, das er aus dem einen Ast gemacht hatte, aus der Höhle heraustrat – auf den Weiher und ahnte, dass hier ideale Lebensbedingungen für sie da waren. Es war ein halber Tagesmarsch zurück. Sie mussten morgen ganz früh losgehen, um im Hellen in der Höhle anzukommen, die so wohlig warm und einladend war.
„Ein Glück“, empfing ihn seine Frau. „Der Kamin hat nicht mehr viel Holz.“ Der Bauer erzählte ihr von der Höhle, während er das mitgebrachte Holz weiter in handlichere Stücke zerteilte – und sie, er und die drei Kinder schöpften neue Hoffung. Die Frau kuschelte sich mit den Kindern ins Bett und schlief sofort ein. Der Bauer legte soviel von dem Holz, das er mitgebracht hatte, auf, wie der Kamin auf einmal fassen konnte, und wollte warten, bis es etwas heruntergebrannt war, um den Rest für die Nacht nachzulegen. Er setzte sich in den Sessel, und er fühlte sich wohl und schlief ein.
Während alle schliefen brannte das Holz im Kamin und wärmte die Wohnung und die Menschen, und aus dem dunklen, festen Holz, das der Säge und der Axt soviel Widerstand geleistet hatte, erhob sich langsam eine dunkle Rauchwolke, wurde zum Atem der schlafenden Menschen und ließ alle ersticken.