Politiker sind Strategen. Politik als Beruf auszuüben, heißt gut Schach zu spielen. In Nordrhein-Westfalen hat sich das politische Schachspiel in Poker verwandelt. Dabei werden die beiden politischen Ebenen – Landespolitik und Bundespolitik – zunehmend vermengt und verwirbelt.
Weil das, was in Nordrhein-Westfalen geschieht, für das Image und politische Wirken auch der Bundesparteien entscheidend ist. Selten hatten alle Beteiligten Parteien so viel zu verlieren und so viel zu gewinnen. Es geht wie immer um die Macht.
Die FDP: Von der Verweigerung zum Dialog
Weil erst die Bundes-FDP am Boden lag und nun auch die NRW-FDP dadurch im Umfragetief ist, weil dadurch alle 18%-Träume zu hässlich platzenden Seifenblasen geworden sind, spricht man jetzt doch mit der SPD. Zunächst hatte es geheißen, man würde mit der Kraft-SPD nicht reden, weil die mit „Die Linke“ gesprochen habe. Nun heißt es, man könne sich dem demokratischen Dialog, gar dem Willen des Wählers, doch nicht entziehen. Offenbar haben sich die parteipolitischen WidersacherKonkurrenten Andreas Pinkwart als NRW-FDP-Chef und Guido Westerwelle von der Bundes-FDP gegen den NRW-Fraktionsvorsitzenden Gerhard Papke, der partout keine Zusammenarbeit mit der SPD wollte, durchgesetzt.
Die SPD: Wer soll die Macht in Händen halten in Nordrhein-Westfalen?
Die SPD ist nach Jahren der Stagnation, nach immer neuen Rekord-Negativ-Wahlergebnissen, der Macht so nahe – es fehlen nur ein paar tausend Stimmen gegenüber der CDU –, dass es fast wie Ironie des Schicksals klingt, dass es vielleicht doch nicht klappt. Zwischen dem Scheitern und dem Gewinn der Regierungsmacht scheint für die SPD eine nur hauchdünne Grenze zu verlaufen. Hannelore Kraft ist im Moment die große Hoffnung für ihre Partei, die in ihren Grundfesten erschüttert war und nun in NRW einen neue politische Rezeptur und damit auch eine Perspektive gefunden hat. Das neue politische Kräfteverhältnis, bedingt durch das Schwächeln der Bundes-Koaltion, weckt Begehrlichkeiten.
Die CDU: Der letzte Strohhalm
„Hoffnung“ ist ein Begriff, der auch Ministerpräsident Jürgen Rüttgers von der CDU nicht unbekannt sein dürfte. Politisch ist der ehemalige Hoffnungsträger, der vor fünf Jahren das Kunststück fertig gebracht hatte, das seit Jahrzehnten von der SPD beherrschte Bundesland für sich zu gewinnen, abgeschrieben. Er hat es – wie man so schön sagt – vergeigt im bevölkerungsreichsten Bundesland. Sein letzter Strohhalm wäre nun eine große Koalition mit der SPD. Rüttergs gibt den Wolf, der viel Kreide gefressen hat. Er und seine Mannen beklagen nun, dass die Gespräche nicht mehr so offen verliefen– seitdem die FDP kurz vor der Aufnahme der weiteren Verhandlungen zwischen SPD und CDU am gestrigen Tage, während derer man sich theoretisch auf eine Koalition hätte einigen können, ein neues Gesprächsangebot unterbreitet hat. Nun schwebt über allem doch wieder die Vorstellung von der Ampel-Koalition zwischen SPD, FDP und „Bündnis90/Die Grünen“.
Das alles wirkt wie ein Polit-Krimi:
Alle sind der Macht offensichtlich denkbar nahe und alle können es nicht fassen, dass sie ihnen durch die Finger schlüpfen kann. Die SPD wird eine Ampel der großen Koalition vorziehen. Doch wird sie sich, zum Beispiel in Sachen Bildungspolitik, mit der FDP einigen können? Und wenn sie sich einigt, wie regierungsfähig würde diese Koalition sein? Vielleicht aber, so könnte eine weitere Hoffnung lauten, würde sich damit eine neue Modell-Koalition bilden, die Zeichen setzt.
Was das Bundespräsidenten-Amt mit der NRW-Wahl zu tun hat
Derweil hört man aus Berlin, dass sich die Präferenzen für Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen als neue Bundespräsidentin verdichten. Bliebe es dabei und würde diese Entscheidung schnell verwirklicht, könnte Noch-NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers auf deren Sessel als Arbeitsminister nachrücken. Und das könnte ein Zückerchen für die SPD sein, die sich mit einem nicht so vorbelasteten Ministerpräsidenten als Koalitionspartner vielleicht weniger schwer tun würde. Heute werden zunächst die Gespräche zwischen CDU und SPD fortgesetzt. Danach soll nach dem Willen der SPD der politische Dialog mit der FDP weitergehen. Gefordert sind bei allen Beteiligten strategische Weitsicht, ein Gaga-Pokerface und vor allem die Eigenschaften eines fabelhaften Hütchen-Spielers, der als Illusionist agiert.
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