Am Donnerstag also läuft „Kampf der Titanen“ an, der nächste Vertreter in einer langen Reihe von digital aufgerüsteten Effektschlachten. Gleichzeitig ist er auch ein Beitrag zum traditionsreichen Genre des „Creature Feature“ und in der Beziehung kommt ihm eine besondere Bedeutung zu, ist er doch das Remake eines Films von 1982. Der alte „Kampf der Titanen“ sieht sogar noch älter aus, und wäre filmhistorisch nicht weiter erwähnenswert, wäre er nicht der letzte Film von dem Mann, der das Genre geprägt hat wie kein anderer: Ray Harryhausen. Eine gute Gelegenheit, ihn sich mal wieder in Erinnerung zu rufen.
Wenn man das Petabyte-verschlingende CGI-Gezücht aus den Renderfarmen von „Kampf der Titanen“ und ungezählten anderen Fantasy-Filmen der letzten 15 Jahre sieht, glaubt man kaum, dass es mal eine Zeit gab, in der man imaginäre Kreaturen ohne digitale Hilfe zum Leben erwecken konnte. Beschäftigt man sich mit dieser Ära, kommt man an dem Namen Ray Harryhausen nicht vorbei. Harryhausen ist der Große Alte des Monsterfilms, der Gott des Creature Feature, der bereits in seinen frühen Filmen die Themen und Regeln festlegte, nach denen das Genre bis heute funktioniert. Bezeichnenderweise nicht als Regisseur, sondern als Tricktechniker.
King Kong und der Nerd
Harryhausen wurde 1920 in Los Angeles geboren, und schon in seiner Kindheit zeigte er großes Interesse an prähistorischen Lebewesen, dem er in seiner späteren Profession ausgiebig frönen können würde. Sein Erweckungserlebnis hatte er dann mit 13 Jahren, als er zum ersten Mal den originalen „King Kong“ von 1933 sah. Der Riesenaffe hinterließ einen tiefen Fußabdruck im Geist des jungen Harryhausens, der von da an vor allem von dem Wunsch beseelt war, ebenfalls derartig fantastische Welten zu erschaffen.
Ein interessantes Detail aus Harryhausens Jugend ist übrigens, dass er in der High School Ray Bradbury kennen lernte, der später zu einem der einflussreichsten Autoren im Bereich Science Fiction und Phantastik werden sollte, und mit dem er bis heute befreundet ist. Faszinierende Vorstellung: Auf meiner geistigen Leinwand sehe ich ein Biopic über die Freundschaft zweier nerdiger Teenager in den 1920ern, die beide auf ihre je eigene Weise der Pop- und Pulp-Kultur des 20. Jahrhundert ihren Stempel aufdrücken werden. Einen Titel hätte ich auch parat: The Rays.
Schüler und Lehrer
Zurück zum Thema: Harryhausen verbrachte also einen großen Teil seiner Jugend in seiner Garage, in der er eigene Experimente mit der Stop Motion-Technik durchführte, die „King Kong“ möglich gemacht hatte. Das Prinzip ist dabei im Grunde das gleiche wie beim Zeichentrickfilm: Ein vollbewegliches Modell wird einzeln von der Kamera abfotografiert, dann ein Stück weiterbewegt und wieder fotografiert: Hintereinander ergibt sich die Illusion der Bewegung. Im richtigen Maßstab mit den Aufnahmen vom Drehort zusammengeschnitten, wird aus einer 30 cm-Fellpuppe ein zehn Meter hoher Affe. Ein aufwendiges und langwieriges Verfahren, wenn man bedenkt, dass 24 Bilder eine Sekunde Film ergeben.
Die Mühe sollte sich lohnen, denn 1938 begegnete Harryhausen seinem Helden Willis O’Brien, dem Mann, der King Kong zum Leben erweckt hatte und so etwas wie der erste Star des Visual Effects Departments war. O’Brien lobte ihn für seine kurzen Sequenzen und gab ihm Ratschläge, woran er noch zu arbeiten hatte. Nachdem der Kriegsdienst seine Ambitionen vorübergehend unterbrochen hatte, bekam Harryhausen schon bald danach einen Fuß in die Tür, mit einer Anstellung als Animator bei George Pal’s „Puppetoons“, einer Serie von Märchenfilmen für Kinder.
Sein nächster Karriereschritt war „Mighty Joe Young“ von 1946, eine Quasi-Fortsetzung von „King Kong“, bei der er für seinen Mentor Willis O’Brien arbeitete. Bei dieser Produktion erlebte er erstmals die komplexe Arbeitsweise des Altmeisters, der neben seinen Modellen mit detaillierten Matte Paintings, Miniatursets und komplizierten Mehrfachbelichtungen arbeitete. Dies lieferte zwar erstaunliche und hochwertige Aufnahmen, gleichzeitig sah Harryhausen aber auch die Probleme dieser Methode. Denn O’Brien benötigte einen riesigen Mitarbeiter-Stab, wodurch sich das Budget immer höher schraubte. Harryhausen wurde klar, dass er das Stop Motion-Verfahren einfacher und vor allem kostengünstiger machen musste, wenn er seine Projekte finanzieren wollte.
Die Bombe und das Monster
Dies gelang ihm erfolgreich bei seinem ersten eigenen Film von 1952, „Panik in New York“, der gleichzeitig seinen Durchbruch markieren sollte. Hier geht es um einen im Eis des Nordpols eingefrorenen Riesensaurier, der von Atombombentests aufgeweckt wird, mächtig sauer wird und in New York randaliert. Wer jetzt an Godzilla und Plagiat denkt, liegt aber falsch, der erste Godzilla stammt tatsächlich erst von 1954. In diesem Fall haben sich die Japaner wohl eher bei den Amerikanern bedient.
Bei diesem Film hatte Harryhausen seine eigene Technik, die er Dynamation nannte, zur Perfektion gebracht: Dabei ließ er seine Modelle vor einer Rückprojektion des Filmhintergrunds agieren, während gleichzeitig in den Vordergrund die abgefilmten Schauspieler montiert wurden. So erreichte er nicht nur eine bisher beispiellose Tiefe und Interaktion zwischen Modell und Akteuren, sondern es gelang ihm auch die Kosten so weit zu drücken, dass sich das Budget in einem überschaubarem Rahmen hielt. Ein Vorteil, der viele seiner späteren Projekte überhaupt erst möglich machte.
„Panik in New York“ war ein Riesenerfolg und ist im Grunde die Blaupause für alle Creature Features, die in den Fünfzigern und bis heute folgen sollten. Gerade das Motiv des Monsters als Manifestation einer von Menschen gemachten Bedrohung, sei es jetzt durch Nuklear-, Bio- oder Gentechnik, ist heute sozusagen das kleine Einmaleins des Genres.
Große Erfolge, viele Skelette
Nach einer Reihe weiterer B-Produktionen, die seinen Erstling variierten (It came from beneath the sea, 20 Million Miles to Earth) realisierte er mit „Sindbads 7. Reise“ von 1958 seinen ersten Farbfilm, in dem erstmals eine ganze Menagerie von Kreaturen zum Einsatz kam. In dem märchenhaften Setting mit Elementen aus 1001 Nacht fand er seine persönliche Formel, auf die er in Folge immer wieder zurück greifen würde: Eine Gruppe Abenteurer muss sich immer neuer Angriffe von Fabelwesen und anderen Kreaturen erwehren, die sich ihnen in den Weg stellen. Bei Sindbad unter anderem von Zyklopen, Drachen, dem Vogel Rock und einem lebenden Skelett.
1963 übertrug Harryhausen dieses Prinzip mit „Jason und die Argonauten“ auf die griechische Mythologie und lieferte den Film ab, der landläufig als sein Meisterwerk betrachtet wird. Legendär ist dabei der Schwertkampf der Argonauten mit gleich sieben Skeletten. Allein an dieser meisterlich choreografierten Szene arbeitete er vier Monate ohne Unterbrechung.
Nach einer Reihe von Misserfolgen, wie „Die Geheimnisvolle Insel“ oder „ Die Reise zum Mond“ siedelte Harryhausen nach London über, wo er 1966 für die berühmten Hammer Studios den Steinzeit-Heuler „Eine Million Jahre vor unserer Zeit“ realisierte. Der Film, der Frühmenschen und Dinosaurier in Koexistenz zeigte (Gern gezeigt von kreationistischen Bio-Lehrern), war wieder ein großer Hit, wobei hierfür neben Harryhausens Effekt-Arbeit wohl auch der knappe Fellbikini der Hauptdarstellerin Raquel Welch gesorgt haben dürfte.
Der alte Mann und sein Studio
In den Siebzigern begann Harryhausens Stern allmählich zu sinken. Seine simplen Weltfluchts-Märchen fanden nicht mehr den Geschmack des breiten Publikums, und so konnte er in diesem Jahrzehnt nur noch zwei Produktionen stemmen, mit denen er wieder zum orientalischen Mythenkreis zurückkehrte. Aber weder „Sindbads gefährliche Abenteuer“ noch „Sindbad und das Auge des Tigers“ konnten künstlerisch oder kommerziell an alte Erfolge anschließen. Auch wurde nun eine Schwäche immer deutlicher, die auch schon in den alten Erfolgen wie der „Siebten Reise“ angelegt war, denn bei der episodischen Struktur der Filme bekam man oft den Eindruck, dass die Kreaturen vor dem Drehbuch da gewesen waren, und dieses mehr oder weniger geschickt um die Monster herum geschrieben worden war.
Unwahrscheinlich ist das nicht, hatte Harryhausen doch wesentlich mehr Einfluss auf den Schaffensprozess seiner Filme als sich die heutigen Hundertschaften von Digital Artists bei ILM träumen lassen. Bei vielen Projekten als Produzent auftretend, arbeitete er im Studio meist allein. Von der Entwurfszeichnung bis zum Ausleuchten der Trickbühne machte er alles selbst – auch für damalige Verhältnisse ungewöhnlich. Durch die Kontrolle jeden einzelnen Details verlieh er seinen Schaumgummifiguren Charakter und Emotionen, wodurch sie sich nicht hinter den meist hölzern agierenden Schauspielern verstecken mussten. Da kümmerte es ihn wahrscheinlich nicht so sehr, wer unter ihm Regisseur war.
In einem letzten Kraftakt gelang es ihm zusammen mit seinem langjährigem Produzenten Charles H. Schneer 1981 mit dem originalen „Kampf der Titanen“ noch einmal einen Ausflug in die griechische Mythologie zu produzieren. Trotz des finanziellen Erfolgs machte der Film deutlich, dass Harryhausens Zeit vorbei war. Inzwischen hatten „Star Wars“ und andere Großproduktionen die Karten neu gemischt, und Stop Motion war endgültig veraltet.
Späte Anerkennung
Mit Harryhausens Abgang von der Trickbühne vollzog sich der Paradigmenwechsel in der Tricktechnik endgültig hin zu einem arbeitsteiligen Prozess mit hoher Belegschaft. Dennoch fanden sich gerade in den Achtzigern eine Reihe von „Kronprinzen“, die zwar nicht seiner Technik, aber seinem Stil nacheiferten. Leuten wie Rick Baker, Rob Bottin oder Stan Winston gelang es mit Make-Up und Animatronics ebenfalls ihren eigenen Stil zu entwickeln und so dem fertigen Film ihre Handschrift einzugravieren.
Obwohl die Digitalisierung den Visual Effects Artist wieder zur gesichtslosen Ameise degradiert hat, bleibt Harryhausens Einfluss bis heute präsent. Nicht zuletzt deswegen, weil sich durch die Bank sämtliche heute erfolgreichen Mainstream-Regisseure wie Spielberg, Burton oder Jackson als Fans geoutet haben, weshalb er wahrscheinlich auch 1991 mit dem Ehren-Oscar eine Auszeichnung erhielt, die ihm zu seinen aktiven Zeiten verwehrt geblieben war. Neben Myriaden von Anspielungen im popkulturellen Hyperraum finden sich so auch in den meisten Effekt-Spektakeln der letzten Jahre mehr oder minder offene Reminiszenzen an den Altmeister. Ob „Jurassic Park“, „Herr der Ringe“ oder auch jüngst „Avatar“, überall ist dessen Nummernrevue-Stil wiederzufinden, bei dem aus heiterem Himmel Kreaturen auftauchen, Stunk machen und wieder aus der Handlung verschwinden. Hier zeigt sich, dass sich heutige Filmschaffende trotz der komplett verschiedenen technischen Vorraussetzungen immer noch an den Bildern orientieren, die Harryhausen vorgeprägt hat. Das Remake von „Kampf der Titanen“ schließt hierbei auf gewisse Weise den Kreis; ob die volldigitalen Bilderwelten von heute den Puppentricksereien von damals etwas Neues hinzuzufügen haben, lässt sich nun fast Szene für Szene abgleichen.
5 Responses to “Kampf der Titanen: Harryhausens langer Schatten”
Sehr interessanter Artikel. Woran haben die genannten „Enkel“ Harryhausens gearbeitet?
Mein Lieblings-Harryhausen-Film ist „Sindbad’s 7. Reise“, weil dort wie Du richtig schreibst, die Charakterformung am natürlichsten und die Story am besten ist. Hier ist es mal nicht so, dass die Handlung um die Monster herum drappiert wurde. Der Film zeigt zugleich, worin Harryhausen gut war, wenn er auf der Höhe war: Er hat glaubwürdig Charaktere gezeichnet als auch ihre Bewegungsabläufe natürlich widergegeben. Harryhausen wäre auch ein guter digitaler Animator gewesen, weil wesentlich ist, wie künstliche Charaktere agieren. Es gibt andere Filme von ihm, die perfekter und weniger rucklig animiert sind als die in „Sindbad’s 7. Reise“, die haben aber nicht unbedingt mehr Charakter.
Was ich bedenkenswert finde, ist, dass sich offensichtlich das Massenpublikum immer mehr in fast perfekten digitalen (Flucht-)Welten verlieren will, es will Wesen und Welten sehen, die es höchstens im Traum gibt. Die Filmtechniker – früher Leute wie Harryhausen, heute Teamworker wie Pixar – realisieren das. Jetzt gibt es 3-D als Massenerfolg und irgendwann kommt vielleicht eine interaktive Form zwischen Kinofilm und Game. Die Wirklichkeit wird immer mehr verschwimmen, je perfekter die Technik ist.
Harryhausen und andere haben dafür die Grundlagen gelegt. Schön, dass Du diesen weiten Bogen gespannt hast.
Übrigens ist offenbar ein Nachteil von Effektfilmen, dass fast immer die Story mangelhaft ist, wie z.B. bei Avatar. Wie findest Du denn „Kampf der Titanen“ von der Erzählung her?
[…] schneller, weiter. Ein neuer Kinofilm als 3D-mäßig nachgerüstete Effektorgie. Wann kommt ein Film mit perfekter Technik und perfekter Story in einem in die Lichtspielhäuser? […]
Erstmal danke fürs Lob. Was die Enkel angeht: Rick Baker ist zum Beispiel für die berühmte Verwandlungsszene aus „American Werewolf“ verantwortlich, Rob Bottin hauptsächlich für Make-Up, wie z.B. die Mutanten aus „Total Recall“. Stan Winston kommt Harryhausen als „Monstermacher“ am nächsten, von ihm stammen der Predator, der Terminator, die Monster aus „Aliens“, und die Saurier aus „Jurassic Park“ (wenn sie nicht aus dem Computer kamen).
„Kampf der Titanen“ hebt sich nicht von anderen Effektfilmen ab, will sagen, die Story schien den Beteiligten eher lästig zu sein. Sie haben sie zwar im Vergleich mit dem Original ziemlich verändert, daraus ist meiner Ansicht nach aber kein Mehrwert entstanden. Perseus Motivation ist auch hier eher schwach, ein Gefühl von epischer Breite kommt auch so gut wie nie auf.
Außerdem kann ich von der 3D-Fassung nur abraten, für die der Film nie gedacht war. Sieht furchtbar aus, das haben sie vier Wochen vor der Premiere noch mal eben schnell hingeschludert. Ganz schlechte Werbung für den ganzen 3D-Zirkus.
[…] war die Welt des Marketings in Produkte und Dienstleistungen unterteilt. Durch die Technisierung, durch Digitalisierung und Virtualisierung, hat sich das verschoben, bzw. es gibt eine begriffliche […]
[…] Blüte mit hohem Komplexitätsgrad hatte vorher mit Schwerpunkt in den 1950er-1970er-Jahren Ray Harryhausen die „Stop-Motion“-Technik unter dem Begriff „Dynamation“ […]