Filmemachen ist sehr zeitaufwändig. Um sich darüber im Klaren zu werden, ob der Film funktioniert, sind viele Vorarbeiten notwendig. Es geht zunächst um textliche Beschreibungen der Grundidee und weitere schriftliche Ausarbeitungen der Story und des Handlungsfadens.
Das beginnt bei der einseitigen Ideenskizze, geht über das mehrseitige Exposé und mündet in das ausführlichere Treatment. Schließlich wird ein Drehbuch mit Kameraeinstellungen geschrieben. Bevor gedreht wird, wird ein Storyboard erstellt. Das sind viele kleine Zeichnungen, manchmal hunderte oder tausende, die zeigen, was die wesentlichen Bilder des Films zeigen sollen. Hier geht es in skizzenhafter Comic-Manier um Ausschnitte, Perspektiven und wie die Kamera das einfangen soll.
Dieser Prozess von der Idee zum fertigen Film kann Jahre dauern. Was aber, wenn all diese Arbeiten schon gemacht sind? Das wäre ein Glücksfall – der in den letzten Jahren in der Filmindustrie an der Tagesordnung war. Ich rede davon, dass Comics am laufenden Band verfilmt wurden. Dabei konnte man von fertigen Charakteren, Geschichten und Grundhandlungen ausgehen, obschon die Drehbücher neu geschrieben werden mussten. Oft wurden mehrere Comic-Geschichten in einem Film zusammengemixt.
So konnte es geschehen, dass die beiden größten amerikanischen alteingesessenen Verlage Marvel (Spiderman, X-Men, Wolverine, Fantastische Vier, Hulk, Der Eiserne) und DC (Batman, Superman) immer mehr Filmrechte verkaufen konnten. Wenn man bedenkt, dass allein die drei Spiderman-Filme 2,5 Milliarden Dollar Umsatz eingespielt haben, mag man ermessen, was für ein Wirtschaftsfaktor das ist.
Nun hat Seitenscheitel-Disney, Trutzburg der harmlosen Unterhaltung ohne Sex und Gewalt, Schmuddli-Marvel, Trutzburg der Gewalt und körperbetonten Heldinnen und Helden, aufgekauft. Für vier Milliarden Dollar. Warum, und warum jetzt?
Man konnte ahnen, dass es so kommen würde. Die Goldgrube, die die Superheldenverlage nun geworden sind, gemixt mit der erlahmenden Wirtschaftlichkeit der Disney-Studios, legten es nahe, etwas einzukaufen, das zukünftig neue Impulse für die Expansion und den Werterhalt des Unternehmens geben kann. Marvel hält die Rechte an über 5.000 Comic-Charakteren, darunter einige, die sich als Filmcharaktere bereits bewährt haben und einige mit Potenzial, die noch nicht verfimt worden sind.
Auf jeden Fall Berge an Geschichten, die schon als Ansätze für Storyboards dienen können und – da die Charaktere entwickelt sind – verhältnismäßig schnell in Filme umgesetzt werden können.
Andererseits hat sich Saubermann Disney damit eine u.U. gewaltverherrlichende Tochter ans Bein gebunden. Wird Disney Marvel seine Geschäfte weiter führen lassen wie bisher? Oder wird man mäßigenden Einfluß nehmen? Dass es nicht nur darum geht, nach dem Trickfilmschmiede Pixar ein weiteres Unternehmen zu kaufen und ihm seine relative Eigenständigkeit zu lassen, davon künden die Disney-Pläne, Marvel-Figuren auch in die Disney-Parks, Inbegriff der heilen Welt, aufzunehmen.
Man möchte im femininisierten Disney-Reich die Zielgruppe der Jungen erschließen. Die stehen eben mehr auf den kämpfenden Spiderman als auf die gefühlsbetonte Tinkerbell. In Deutschland sind ja auch die Marken für die Kleinen streng geschlechtergetrennt: Mädchen mögen „Lillifee“, Jungen die „Wilden Kerle“. Anstatt Rosa muß nun etwas mehr Schwarz her. Wird’s im Reich verharmlosender Unterhaltung nun etwas unbehaglicher? Fortsetzung folgt…
5 Responses to “1. September: Spiderman mausmerized”
Dumm gelaufen für Ben Grimm und Peter Parker. Jetzt werden sie wohl nie Sex haben. Vermutlich aber weiterhin gewaltsame Erlebnisse. Da ist der konservative Amerikaner nicht so zimperlich.
Was passiert, wenn der Niedlichkeistskonzern Disney Gewaltentertaninment aufkauft, konnte man schon beim Ankauf von Miramax sehen. Ein paar erboste Aktionäre springen ab. Die Gewalt bleibt (Scream etc.).
Allerdings mischt Disney sich massiv in die Geschäfte ein, sei es, um Risiken zu unterbinden oder aus politischem Kalkül (wie beim Verbot des Verleihs von Michael Moores Fahrenheit 9/11).
Das bedeutet wohl, das die X-Men und der Hulk nicht mehr ins linke Lager wechseln werden.
Schade. Aber eigentlich doch so wie gehabt, oder?
Mit „Risiken unterbinden“ meist Du wirtschaftliche Risiken? Oder künstlerische? Oder beides?
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