David Foster Wallace starb mit 46 Jahren. Er war zu diesem Zeitpunkt ein bewunderter Autor. Er hatte mit „Infinite Jest“, das als 1.500-Seiten-Buch am 28. August jetzt auf Deutsch erscheinen soll, nach „Der Besen im System“ seinen zweiten Roman vorgelegt. Davor hatte er einige Bände mit Kurzgeschichten veröffentlicht.
Das Buch, das unter dem Titel „Unendlicher Spaß“ die Spaßgesellschaft aufs Korn nimmt, war in den USA kein Erfolg – weder, was die verkaufte Auflage anbelangt noch in Bezug auf Preisverleihungen. Gleichzeitig gab es kaum ein anderes Buch, dem die Literaturkritik so gespannt entgegengeblickt hat.
Der Literaturbetrieb braucht Helden. David Foster Wallace wurde früh hochstilisiert zum genialen Außenseiter. Er regte die Phantasie an. Er war ein junger Autor, der kleine und kurze literarische Formen veröffentlicht hatte. Er litt an dem Jimi Hendrix-Problem: Stimmte der Gitarist zu Beginn eines Konzertes seine Gitarre, klatschten die Zuschauer schon Beifall. Es kann frustierend sein, wenn alles, was man macht, für genial gehalten wird. Tatsächlich ist er aber einer der interessantesten und originellsten neueren amerikanischen Autoren.
David Foster Wallace wurde frühzeitig mit höchster Anerkennung überhäuft. Er hat mit „Infinite Jest“ die Latte gleich ein ganzes Stück höher gelegt, hat sich eine neue, hohe Herausforderung gesucht. Ob er den Sprung von der genialen Kurzgeschichte zum Lang-Roman zufriedenstellend oder sogar die Erwartungen übertreffend geschafft hat, werden wir ab Monatsende überprüfen können.
Gerne werde ich das Buch rezensieren, es wird aber dauern. Bestimmt wird es ein großer Spaß, denn Humor war ein ständiger Begleiter der Wallaceschen Fiktionen. Um davon einen Eindruck zu vermitteln, hier David Foster Wallace live:
10 Responses to “David Foster Wallace: Infinite Jest jetzt auf Deutsch”
Man kann im Englischen halt mit Partzipialkonstruktionen immer einen guten Flow machen, und David Foster Wallace war ein Genie, keine Frage.
Aber was ich mich wirklich frage: Warum unterrichten solche Götter in den US creative writing, während das in D eher so als Volkshochschulfach für menopausierende Hausfrauen gilt?
Auch andere Götter wie TC Boyle unterrichten ja einen Kontinent weiter kreatives Schreiben, und es kommt wirklich guter Stoff dabei rum.
Hierzulande auf diese ausgebildete Art leider nicht. Ob das daran liegt. daß das Land, der Sprachraum hierzulande zu klein ist, oder was?
Sehr gute Frage!
Vorab eine Bemerkung zum Wörtchen „genial“: Wallace war ein außergewöhnlicher Autor. Die Frage ist, ob man gut 1.000 Seiten Roman braucht und weitere 500 Seiten Anmerkungen, um den Inhalt zu vermitteln.
Man hat Pynchon bei „Gegen den Tag“ aber auch schon bei „Mason und Dixon“ eine überbordende detaillversessene Geschwätzigkeit vorgeworfen, die nur langatmig ist und nichts zur Handlung und dem eigentlichen Inhalt beiträgt.
http://www.endoplast.de/2009/07/31/inherent-vice-thomas-pynchon-strikes-again/
Bleibt bei Wallace und seinem Romanungetüm die Konsistenz des Romans erhalten?
Man kann argumentieren, dass die Form „Roman“ viel weiter auszulegbar ist (wie bei James Joyce) und dass die Länge nicht unbedingt ein Kriterium ist – so waren die Kurzgeschichten von Pynchon schwer verständlich, obwohl sie kurz waren.
Ich finde umfangreiche Romane durchaus gut, weil sie die Chance bieten, neue Horizonte zu öffnen. Es gibt aber auch die Möglichkeit von Romanzyklen wie bei Balzac oder Proust, also innerhalb eines Generalplanes kleinere Einheiten zu schaffen.
Wie dem auch sei. Ein guter Schreiber kann sich verzetteln. Wo wäre dann die Genialität? Sie würde nicht viel nützen. Ich bin gespannt auf das Buch.
Zur anderen Frage:
Ich glaube, dass die Schriftsteller – ähnlich wie auch Theaterleute – bei uns einen anderen Stellenwert haben. Hier sind sie elitärer. Da gibt es viel Standesdünkel des Künstlers, der sich zu fein ist, hinabzusteigen in die Welt der VHS.
Jemand, der sich hier Schriftsteller nennt, ist eine irgendwie anerkannte Ausnahmeerscheinung. Amerikanische Kultur-Größen wie z.B. der Theatermann Robert Wilson sind darauf angewiesen weltweit zu inszenieren. Es hört sich toll an, wenn er überall inszeniert. Aber in Amerika alleine hätte er gar nicht die Möglichkeiten. Soll heißen: Schriftsteller mit Anspruch haben ein ökonomisches Problem, das in den Staaten problematischer ist, andererseits aber weniger Berührungsängste.
Wallace ist ja kein Bestsellerautor gewesen. Er hat hoch komplizierte Prosa verfasst. Nichts für den Massenmarkt. Und ein Klassiker wie Pynchon war er noch nicht. Wenn man bedenkt wie es anderen Autoren ergangen ist, z.B. William Gaddis,
http://www.endoplast.de/2009/07/31/2001-verlag-40-jahre-danach/
dann kann man nur mit dem Kopf schütteln. Wallace hatte lange Phasen, in denen er geschrieben hat oder in denen er auch einfach psychische Probleme gehabt hat. Der deutsche Rolling Stone und der Spiegel haben ausführlichst darüber berichtet. Da kamen solche Tätigkeiten gerade recht.
Bei T.C. Boyle zieht dieses Argument vermutlich nicht. Ich denke, die amerikanischen Autoren sind lockerer, haben dadurch auch weniger Berührungsängste.
Wer wären denn für Dich die genialen deuschen Autoren? Bei wem würdest Du gerne lernen?
[…] das dieser Tage mit großer Spannung in der deutschen Literaturszene erwartet wird, habe ich hier ja schon etwas […]
Ich lerne, immer wieder, alles mögliche – aber Schreiben und Drama kann ich einigermassen. Hinreichend. Insoweit muß ich bei niemanden lernen.
Deutschsprachige Autoren? Außer Fauser und Wolfgang Welt nix gewesen.
Trakl vielleicht, in Sachen Lyrik, zählt bei mir auch.
Nachtrag:
In Sachen Lyrik – auch Gryphius. Das vom Blut fette Schwert und so.
In Sachen Prosa – vielleicht Herrmann Kant: Der Erzählband ‚Ein bißchen Südsee‘ ist das schlechteste nicht, in Sachen utopischer Aufklärung.
Die Dramen? Außer Brecht? Dazu später. Ehrlich gesagt, habe ich immer nach einem deutschsprachigen Analogon zu Edward Albee gesucht, Wer hat Angst vor Virginia Woolf…? sicher das beste, verfahrendste Dialogdrama, das ich so kenne.
http://www.youtube.com/watch?v=_H7IRs1vmS4
http://www.youtube.com/results?search_query=albee+woolfe+burton+taylor&search_type=&aq=f
http://www.sueddeutsche.de/kultur/112/435858/text/
(Außerdem hab ich mal in einem Off-Theater die Martha gespielt, und das auch inszeniert. Natürlich. An den Burton-Taylor-Film kam ich natürlich nicht ran, aber, ich schwör: Ich hab die Nummer mal gelebt. Nachher.)
Anyway: Was macht die kahle Sängerin?
Das ganze wird fast ein Endoplast-Literatur-Kanon. Schön.
Wobei ich aktuell greifbare, lebende Autoren meinte, die publizieren. Eigentlich hatte ich z.B. weniger an Martin Walser und mehr an Judith Herrmann, Julie Zeh oder solche gedacht. Leute, die die Wirklichkeit jetzt abbilden und auch – theoretisch – lehren könnten.
Der deutschsprachige Superstar wäre ja Daniel Kehlmann was Kritikeresonanz und Verkaufszahlen anbelangt. Judith Herrmann ist mit „Sommerhaus später“ sowas wie ein kleiner Superstar.
Ich versuche hier deutsche Analogien zum Nimbus von Wallace aufzuzeigen.
Mir wird aber bewußt, dass das kaum möglich ist. Einem amerikanischen Autor, der manisch umfangreiche Werke schreibt wie Thomas Pynchon, Richard Powers oder eben jetzt David Foster Wallace haftet etwas spannend-genialisches an. Denkt man an die Autoren und Autorinnen hier im Umfeld, ist das nicht so. Für mich gibt es ein paar Ausnahmen. Sagen wir Elfride Jellinek, von der man sicher unendlich viel lernen könnte. Thomas Bernhard lebt nicht mehr. Beides Österreicher. Kehlmann lebt zwar in Österreich, ist aber in München geboren. Er war übrigens Gastdozent in Mainz, Wiesbaden und Göttingen. An einer VHS wird er sicher nicht lehren, das hat Wallace aber auch nicht gemacht.
In der Oper war ja seit langem die Rede davon, dass die Tenöre immer mehr aussterben, die technisch in der Lage sind stundenlang zu singen, die quasi nicht mehr auf Dauerlauf sondern mehr auf Kurzstrecke getrimmt sind. Gilt das auch für deutsche Autoren? Wer hat zuletzt einen profunden dickleibigen Roman veröffentlicht?
Wohingegen Reich-Ranicki bei jeder Gelegenheit darüber meckert, dass die meisten 1.000-Seiten Romane gekürzt werden sollten. Er hat sogar den ernstgemeinten Vorschlag gemacht, Musils „Mann ohne Eigenschaften“ in einer gekürzten, zugänglicheren Variante zu veröffentlichen, weil zuviel unnützes und langweiliges Zeug drin wäre. Auch über William Gaddis hat er im Literarischen Quartett so etwas gesagt.
„Ich lerne, immer wieder, alles mögliche – aber Schreiben und Drama kann ich einigermassen. Hinreichend. Insoweit muß ich bei niemanden lernen.“ – Dann veröffentlich doch hier mal was davon. Ein gutes Drama von Dir wäre sicher erquicklich.
[…] ein schmales Bändchen in Händen, das dem geneigten Leser ergänzend zu Infinite Jest, dem als Jahrhundertroman apostrophierten Werk von David Foster Wallace, sekundärliterarisches Zusatzmaterial bieten […]
[…] Hier eine kleine Rezension eines Werkes der Sekundärliteratur als treuer Begleiter des Hauptromans Infinite Jest. Im Video eine Kostprobe seines Könnens. […]
[…] 20.00 Uhr eine Lesung aus dem neuen Roman Inherent Vice, dessen Titel David Foster Wallace’ „Infinite Jest” persifliert und der lustigste und mit 384 Seiten Umfang der schmalste Pynchon sein soll. Pynchon […]